Der französische Autor Sylvain Tesson ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Geograph und vor allem ein leidenschaftlicher Reisender. Mit seinem mehrfach preisgekrönten Roman „Der Schneeleopard“ landete er 2022 einen Spiegel Bestseller.
Mit „Weiß“ legt er nun wieder eine autobiografische Reisebeschreibung vor, in der er von seiner mehrjährigen und aus mehreren Etappen bestehenden Skiwanderung durch die gesamte Alpenkette erzählt. Gemeinsam mit seinem Führer du Lac kämpft er sich durch Schnee und Eis, es ist eine äußerst kräftezehrende und beängstigende Tortour.
Tesson zeigt mir aber nicht nur die gefahrvollen und qualvollen Seiten seiner Route, sondern beschreibt die Schönheit der weißen Berge und die köstliche Erleichterung, die nach einer körperlichen Anstrengung erfolgen kann.
“Aus dem Weiß stiegen meine Schatten auf. Diese Farbe hatte die merkwürdige Macht, als Heilmittel für die von ihr selbst bewirkten Ängste zu dienen.”
Immer wieder beschreibt Tesson die Wirkung, die die schneeweiße Umgebung auf seinen Geist hat.
Und immer wieder der Wunsch nach Auslöschung. Nach einem Auflösen im Weiß.
“Das Bewusstsein verlor sich. Die Identität zerfiel. Arbeitsstillstand, psychische Bewusstlosigkeit, Auflösung des Egos: das weiße Denken.”
Man kann leicht verloren gehen in der weißen Unendlichkeit des Schnees und der Gedankenleere.
Keine Konturen. Keine Grenzen. Keine Zeit.
Konturlos, substanzlos, diffus.
Kein Buch für mich, trotz thematischer Komfortzone.
Soweit, so poetisch. Eigentlich ein Buch ganz in meiner literarischen Komfortzone. Er hat mir dennoch nicht sonderlich gut gefallen. Das mag meiner Erwartungshaltung geschuldet sein, die ich generell an autobiografische Texte habe. Ich möchte gerne in die Gefühlswelten der Schreibenden eintauchen.
Wissen, was sie im Innersten zusammenhält.
Das erfahre ich bei Tesson nicht, er öffnet mir sein Innerstes nicht, stattdessen teilt er viele abstrakte philosophische Gedanken zu Rimbaud, Nietzsche und Co. Nicht wirklich mein Ding.
Auch als Reisebericht finde ich „Weiß“ nur mäßig spannend, aber dafür erzählt Tesson zu Wenige der profanen Details einer solchen Tour.
Es ist kristallklar, dass ich nicht das Lesepublikum bin, das Tesson ansprechen will. Sein Buch ist scheint an das Feuilleton gerichtet und wird wohl als das gelten, was Mann allgemeinhin als sogenannte ernsthafte Literatur versteht. Ich empfand es als irrelevant und humorlos.
Und ein Kandidat für Mareike Fallwickles #männerlesen.
Positiv ist allerdings, dass es eine recht schnelle Lektüre war. Und Tessons Bericht zieht in zwei schmerzlosen Leseeinheiten spurlos an mir vorbei.
Das Cover finde ich ausgesprochen gelungen und aus der Masse herausragend. Danke an den Rowohlt Verlag (Hundert Augen) für das schöne Rezensionsexemplar!
Aus dem Französischen von Nicola Denis
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