Eine Geschichte der weiblichen Kriminalität
Jadwiga Kamola, Sabine Becker und Ksenija Chochkova Giese (Hg.)
Gleich vorweg: wer denkt, dass „Criminal Women“ irgendwelche Ähnlichkeit mit den aktuell so beliebten Anthologien und schockierende Fallsammlungen des True Crime Genres hat, der irrt. Was aber nicht heißen soll, dass das Buch nicht mit der gleichen abgründigen schaurigen Faszination gelesen werden kann.
Es handelt sich bei „Criminal Women“ um den Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, die noch bis 29. Februar 2024 im Museum LA8 in Baden-Baden zu sehen sein wird, kann aber natürlich unabhängig davon verstanden werden.
Die verschiedenen Aufsätze widmen sich unterschiedlichen Themen oder geschichtlichen Einordnungen zur Definition und Bewertung von weiblicher Kriminalität. Denn wie wir Kriminalität, Verbrechen sowie Schuldfähigkeit überhaupt definieren, ist immer (auch heute noch) von dem aktuell vorherrschenden Menschenbild und Philosophie und dem dazugehörigen gesellschaftlichen Konsens abhängig.
Bei Frauen kommt speziell dazu noch das aktuelle Verständnis der vermeintlichen weiblichen Natur und die gerade vorherrschenden Rollenbilder und Moralvorstellungen, die sich auf die Bewertung des Verbrechens und das Strafmaß auswirken.
Ich finde eigentlich alle Arbeiten, die nur lose miteinander in Beziehung stehen, sehr spannend und lesenswert. Besonders erwähnen möchte ich hier die in „Kriminelle Physiognomik“ geschilderte Vorstellung, von bereits im Aussehen angelegten Merkmalen. Sie sollen auf eine Neigung zu bestimmten Verbrechen hinweisen. Diese Theorie ist natürlich längst widerlegt. Die Nachwirkungen sind aber meiner Meinung immer noch als Unterströmung spürbar. Das fällt mir vor allem in Filmen, Serien und Büchern auffällt auf.
Auch des letzte Kapitel „Frauen als Verbrecherinnen wider Willen“ ist leider immer noch brandaktuell. Und wird es angesichts reaktionärer gesellschaftlicher Tendenzen wohl auch bleiben. Es beschäftigt sich mit der Historie der gesetzlichen Regelungen zu Abtreibungen.
Ich finde den äußerst sachlichen und wissenschaftlichen Stil der Arbeiten sehr wohltuend, wenn auch nicht mit den leichter lesbaren populärwissenschaftlichen Bücher zu ähnlichen Themen vergleichbar.
Die schönen Farbtafeln, zusätzlich zu den schwarz-weiß Abbildungen im Fließtext, gefallen mir auch sehr gut. Sie machen mir große Lust, auch noch die dazugehörige Ausstellung zu besuchen!
Vielen lieben Dank an den Verbrecher Verlag, der mir dieses Rezensionsexemplar nach einem netten Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse 2023 mitgegeben hat.

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