„Diese Freiheit bedeutet mir alles“ – Das Leben der Kathleen Scott

Geschrieben von:

Kathleen Scott Kerstin Ehmer Rezension

Kerstin Ehmer

Ein solcher wunderbarer Optimalfall ist die äußerste lesenswerte Biografie von Kathleen Scott. Kerstin Ehmer stellt mir nicht nur das Leben der Kathleen Scott sehr facettenreich vor, so dass ich ihre Persönllichkeit zu erkennen glaube, sondern sie nimmt mich mit ins England in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in die Ausläufer des Viktorianischen Zeitalters.

Die junge noch unverheiratete Kathleen bewegt sich in ganz ähnlichen Kreisen wie die junge Virginia Stephen, spätere Woolf. Sie machen die gleichen Reisen auf dem Kontinent: Italien und Griechenland. Isadora Duncan gehört zu ihren Freundinnen.

Wahrscheinlich ist dir der erste Ehemann von Kathleen Scott, geborene Bruce, ein Begriff,  denn Robert Falcon Scott war ein äußerst bekannter Polarforscher. Der dramatische Ausgang seiner Südpolexpedition sorgte bereits damals, kurz nach dem Bekanntwerden für Schlagzeilen und löste in England große nationale Verehrung aus. Auch heute noch fasziniert sein Schicksal ein großes Publikum.

Kathleen, wie auch ihr Mann Robert, sind Kinder ihrer Zeit und ihre Wertvorstellungen tief vom viktorianischen Zeitalter geprägt.

Kinder des viktorianischen Zeitalters

“Selbstdisziplin, Fleiß, Pflichterfüllung bis hin zur Selbstaufgabe, karitative Nächstenliebe, Rationalität, Vernunft und das Befolgen christlich reformatorischer Werte sind Bestandteil ihrer moralischen DNA.”

Kathleens Ehe mit Scott stellt allerdings nur eine relative kurze Zeitperiode im ihrem Leben dar. Sie überlagert glücklicherweise in der vorliegenden Biografie nicht den aufregenden und ungewöhnlichen Lebenslauf dieser unkonventionellen Frau.

Scott arbeitet ihr Leben lang künstlerisch, vor allem als Bildhauerin, wobei Ehmer herausarbeitet, dass die Qualität und das Lebenswerk von Scotts Arbeiten sehr wohl als beachtenswert aber nicht als innovativ zu bewerten ist.

Mich fasziniert vor allem die große Energie und Unerschrockenheit, mit der die durchaus den gesellschaftlichen Konventionen verhaftete Kathleen ihr Leben auskostet. Mit großem Mitgefühl half sie ihren Feund:innen und Mitmenschen. Auch wenn deren Lebenswandel nicht mit ihrem eigenen hohen Moralvorstellungen übereinstimmte.

„Doch so sehr sie mit ihrer Frauenrolle ringt und sie bisweilen unkonventionell interpretiert, ihr Selbstverständnis als Ehefrau und Mutter ist konservativ.“

Ehmer arbeitet in dieser Biografie auch wunderbar die große Ambivalenz von Scott bezüglich ihrer Einstellung gegenüber Frauen heraus. Scott hat eine sehr große Geringschätzung, sogar Verachtung, gegenüber Frauen internalisiert. Sie bevorzugt die Gesellschaft von Männern. Ihr Verhältnis zu ihrem Mann und den Söhnen gleicht religiöser Verehrung.

Eine sehr, sehr lesenswerte und unterhaltsame Biografie über eine faszinierende und ambivalente Frau, die gleichermaßen ein modernes und ihrer Zeit verhaftetes Leben führte.

Sehr empfehlenswert!

  • Kathleen Scott Kerstin Ehmer Klappentext
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