Biografie von Lars Jaeger
Wer war Emmy Noether?
Ich wusste bis jetzt so ziemlich gar nichts über diese bedeutende Mathematikerin (1882-1935). Ich selbst habe trotz meines ingenieurwissenschaftlichen Studiums nur die bare basics in Mathematik. Und obwohl ich heute im MINT Bereich arbeite, nutzte ich die Mathematik nur dilettantisch als stumpfes Werkzeug mit Hilfe von Computern.
Aber natürlich will ich eine Biografie über Emmy Noether lesen und mehr über diese Frau mit der genialen Fähigkeit zur Abstraktion wissen!
Lars Jaeger beschreibt mit seiner chronologisch aufgebauten Biografie den schwierigen und steinigen Weg Noethers hin zum wissenschaftlichen Arbeiten. Anfang des 20. Jahrhunderts ist es Frauen nur in Ausnahmefällen und mit Sondergenehmgung erlaubt, ein akademisches Studium aufzunehmen und Noether muss einige Umwege in Kauf nehmen.
Auch später, als ihre außergewöhnlichen Leistungen und Ergebnisse bereits bekannt sind, tut sich die akademische und die restliche Welt sehr, sehr schwer, Noether die ihr zustehende Anerkennung zukommen zu lassen. Geschweige denn eine ordentliche Bezahlung. Den größten Teil ihres Lebens wird Noether für ihre Arbeit und Lehrtätigkeit nicht (!) bezahlt! Es bleibt für mich ein Rätsel, das auch Jaeger nicht befriedigend beantwortet, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte.
In Göttingen spielt Noether neben dem Mathematiker Hilbert eine wesentliche Rolle in der Endphase der allgemeinen Relativitätstheorie, die jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung unberücksichtigt blieb.
Im Laufe ihres Lebens wird sie große Erfolge in der abstrakten Algebra erzielen, aber wenig Anerkennung in der theoretischen Physik erhalten.
Biografie oder mathematische Erklärungen?
Leider fällt Jaegers Biografie von Emmy Noether für mich eher enttäuschend aus, was aber vermutlich an meinen falschen Erwartungen lag. Ich hatte mir einen breiteren Fokus auf die soziale und gesellschaftliche Einordnung von Noethers Leben gewünscht. Mehr Informationen über Noethers Standpunkte und Meinungen, Jaeger lässt seine Hautfigur kaum selbst zu Wort kommen. Stattdessen geht Jaeger passagenweise sehr auf die mathematische Arbeit von Noether ein. Das hätte ich auch interessant gefunden, wäre es populärwissenschaftlich etwas netter aufbereitet worden.
Als lobenswert möchte ich dennoch die Abschnitte hervorheben, in denen Jaeger auf die unterschiedliche Rezeption zwischen den Geschlechter in der akademischen/mathematischen Welt hinweist und die gesellschaftlichen Widerstände und Vorurteile beschreibt, mit denen Noether zu kämpfen hatte.
Wie Jaeger betont, wurde sogar noch in ihrer Trauerrede Noethers Lebensleistung darauf heruntergebrochen, dass sie eine Ausnahmeerscheinung unter den Frauen darstellte und für eine Frau eine herausragende Mathematikerin war.
Das Nachwort von Jaeger fällt leider kurz aus und hätte noch einmal die Möglichkeit geboten, ausführlicher auf das Thema Geschlecht und Mathematik einzugehen und Noethers Leistungen in diesem Kontext einzuordnen.
Final stimmt mich die gutgemeinte Aussage Jaegers nachdenklich, der speziell Mädchen und Frauen ermuntert, Emmy Noether als großes Vorbild anzusehen. Auf Grund ihrer außerordentlichen und vielfältigen Eigenschaften auch jenseits der Mathematik. Ich würde die Vorbildfunktion gerne auf alle Menschen ausgeweitet sehen.
Emmy Noether wechselte auf Grund der anbrechenden Nazi Herrschaft und ihrer damit verbundenen Absetzung in die USA an das Bryn Mawr College. Dort starb sie überraschend 1935. Emmy Noether blieb unverheiratet und kinderlos.
Vielen Dank an den Südverlag für das Rezensionsexemplar und den netten Email Verkehr!
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