Erinnerst du dich noch an noch an den „Problembär Bruno“? Der Braunbär hielt sich ängere Zeit im bayerisch–österreichischen Grenzgebiet auf, riss einige Nutztiere und legte ein Verhalten an den Tag, das als problematisch bewertet wurde. Nach gescheiterten Fangversuchen wurde das Tier zum Abschuss freigegeben und schließlich von einem anonym beauftragten Sicherheitsteam erschossen.
Im Vorfeld und im Nachgang gab es immense Diskussionen in der Politik, der Presse und der Öffentlichkeit über Tier- und Artenschutz, Zuständigkeiten und Verhältnismäßigkeiten.
Die damals sehr hitzig geführten Diskussionen und Standpunkte findest „Im Tal der Bärin“ wieder, das allerdings nicht in den Alpen, sondern in den Pyrenäen spielt.
Dort wurden gezielt Bären wieder angesiedelt, die jetzt mit den Bergbewohner*innen um den Lebensraum konkurrieren.
In Arnauds Roman stehen zwei Protagonist*innen im Mittelpunkt, die zumindest auf den ersten Blick, den zwei unterschiedlichen Lagern anzugehören scheinen.
Der Schäfer Gaspard ist nach einem tragischen Vorfall mit einem Bären, bei dem eine junge Kollegin ums Leben kam immer noch stark erschüttert, hat sich aber für einen weiteren Sommer auf der Hochalm entschieden. Dort hütet er auf Lohnbasis die Herden von mehreren Schafzüchtern.
Alma ist Ethologin und erforscht im Zentrum für Biodiversität das Verhalten der wieder angesiedelten Bären und untersucht, wie ein Zusammenleben zwischen Wildtieren und Menschen besser funktionieren kann. Dabei stößt sie auf das Unverständnis und den Widerstand der lokalen Bevölkerung, allen voran dem der Schafsbesitzer, die um ihr Vieh fürchten.
Auf einer anderen Zeitebene erzählt Arnaud die Geschichte eines Bärendresseurs, der im 19. Jahrhundert ein Bärenjunges großzieht. Mit der erwachsenen Bärin wandert er nach Amerika aus und erfüllt sich seinen Traum von einem erfolgreichen Leben.
zeitübergreifende Geschichte
Der erste Roman, der von Clara Arnaud ins Deutsche übersetzt wurde, ist ein wahrer Pageturner und ein toller Bergroman. Durch die genaue Betrachtung der Wechselwirkung von Tier; Natur und Mensch ist „Im Tal der Bärin, wie ich finde, auch ein bemerkenswertes Beispiel für spannendes Nature Writing. Arnaud verbindet die persönlichen Geschichten ihrer Figuren mit der literarischen Umsetzung von ökologischen, historischen und philosophischen Themen.
“Alles hier war ein ständiges Werden und Vergehen, war Verwesung und Aufblühen, Freude und Schmerz.”
Auch wenn ich den Roman sehr gern gelesen habe, gibt es einen Wermutstropfen, der mir die Lektüre etwas verleidet. Es ist die doch recht häufige Verwendung eines Begriffs, den die damit gemeinten Volksgruppen der Sinti und Roma, sowie der Jenischen und andere Volksgruppen mehrheitlich ablehnen und der als stigmatisierend und veraltet gilt. Diese unbedarfte Verwendung ist mir schon bei „Der Menschensohn“, ebenfalls von einem französischen Autoren geschrieben, aufgefallen. Eine kurze Recherche ergibt, dass der Begriff tatsächlich in Frankreich, anders als in Deutschland, noch nicht weitestgehend tabuisiert ist, sondern sich der sensible Umgang erst allmählich entwickelt.
Für mich allerdings war das wiederholte Lesen des Begriffs ein wirklich störendes Element in einer eigentlich schönen Lektüre.
Falls dich das nicht stört, kann ich dir „Im Tal der Bärin“ auf jeden Fall empfehlen und es erinnerte mich sehr an „Wo die Wölfe sind“ von Charlotte McConaghy. Allerdings ist Arnauds Roman wesentlich weniger hollywoodreif, sondern schildert vor dem Hintergrund einer realistischen Handlung die Bergwelt und die Geschichten der Figuren.
Vielen lieben Dank an den unabhängigen Münchner Verlag Antje Kunstmann für das gewünschte Rezensionsexemplar mit dem wunderschönen Cover.
Aus dem Französischen von Sophie Beese
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