„Dies ist mein Versuch einer post-phallischen Poetik. Das hier ist alles, was ich habe.“
Und ich bin froh, dass wir es lesen können! Tepests neuer Essay „Sind Penisse real“ ist zutiefst persönlich und intim, mitreißend und komplett fesselnd.
Ich verfolge die Arbeit von Tepest schon länger seit ich seine faszinierende Essaysammlung „Power Bottom“ (März Verlag) gelesen habe.
In „Sind Penisse real“ erzählt Tepest von der verletzlichen Zeit während und kurz nach seiner Transition.
„Mit Mitte dreißig war ich eines Tages aufgewacht und wusste, dass ich ein Mann war. Oder so.“
Und hinter dem „Oder so“ steckt natürlich noch so viel mehr. Tepest sieht sich in der ersten Zeit, in der er öffentlich als Mann wahrgenommen wird, mit diversen Problemen konfrontiert, die mit der Wahrnehmung von Männer im allgemeinen zu tun haben. Und mit seinen eigenen Vorstellungen von Männlichkeit, männlicher Sexualität und Identität.
„Ich war gerade fünfunddreißig geworden und wusste nicht, wer ich war. Ich war nirgendwo angekommen.“
Gehört zu einer männlichen Identität zwangsläufig ein Penis? Es scheint, als wäre der Phallus in der Welt in der wir leben, fest mit der vereinfachten Gleichung „Penis = Mann = Gewalt/Macht“ verknüpft.
Sind Penisse real?
Tepest fängt an, die Männer in seinem Umfeld und aus seiner Vergangenen nach ihrer männlichen Vorbildfunktion abzuklopfen und fragt sie nach ihrem Verhältnis zu ihrem Penis. Er stößt dabei auf Schweigen und Unsicherheiten.
„Selbst eine lebensbedrohliche Erkrankung reicht oft nicht aus, um das Schweigen über den Mythos Penis zu durchbrechen.“
Auch Tepests Beziehung zum Penis ist äußerst ambivalent und kann nicht mit reiner Ratio erklärt werden. Tepest lebte als Lesbe viele Jahre in einer penisfreien Zone und ist jetzt mit verschiedenen widersprüchlichen Gefühlen konfrontiert.
„Mein Bedürfnis, einen Penis zu haben, kann ich nicht wegreden. Das ist das Mysterium des Körpers.“
Der Essay besteht neben der persönlichen Geschichte Tepests, in der er sehr großzügig sexuelle Details teilt, auch aus seinen historischen Recherchen zum Thema Phallus und aus seinen Gesprächen mit Männern mit und ohne Penis.
„Für dieses Buch habe ich Monate auf der Suche nach der Weltformel des Penis verbracht.“
Ich muss erst überlegen, warum mich gerade ein Essay über Penisse so interessiert hat. Zum einen ist auf jeden Fall eine gute Portion Voyeurismus dabei. Das andere Geschlecht ist auch Teil meiner Vorurteile, Fantasien und Vermutungen (damit bin ich bestimmt nicht alleine) und ich möchte darüber lesen, von jemanden der sich intensiv damit beschäftigt hat.
Zum anderen bin ich von Tepests literarischem Schreiben und Können fasziniert. Seine Kombination aus Beschreibungen von konkreten körperlichen Details und Szenen im Gegensatz zu seinen philosophischen Abstraktionen zum Thema Sexualität, Sex und Gender finde ich einzigartig. Das mochte ich schon in „Power Bottom“ und finde ich in leichter zugänglicher Form auch in „Sind Penisse real“.
Wenn dich eine queere Perspektive darauf interessiert, was einen Mann zum Mann macht, dann lege ich dir Tepests Essay sehr ans Herz. Und wenn nicht, dann eigentlich auch. Der Essay lohnt sich in jedem Fall und öffnet vielleicht neue Horizonte.
Dankeschön an den Piper Verlag für das gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Evan Hugo Tepest für den Essay!
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