„Das ist alles, was ich erzählen wollte. All diese Sachen sind geschehen. Manches davon war sichtbar, das meiste nicht.“
So steht es auf den letzten Seiten des letzten Teils von Julia Schochs Trilogie „Biografie einer Frau“.
All diese Sachen sind geschehen, schreibt Schoch.
Schon als 12-jähriges Mädchen hat sich die Erzählerin in „Wild nach einem wilden Traum“ gewünscht eine Schriftstellerin zu sein. Sie trifft sich öfter in einem nahegelegenen Wald mit einem untauglichen Soldaten, der sie viele viele Jahre später zu dem Titel des Romans inspirieren wird und mit dem sie prägende Gespräche führen wird.
“Dann denk dir was aus, sagt er.
Nein, antworte ich, dazu fehlt mir die Phantasie.
Er sieht mich aufmerksam an. Wenn es so ist, musst du tatsächlich erst alles erleben.”
Schoch beantwortet die Frage, ob sich das Schreiben aus dem Erleben speist, in ihren Romanen mit einem klaren Ja. Ich lese ihre Bücher auch als starke Reflektion über das Schreiben an sich und obwohl ich selber nicht schreibe, empfinde ich das Schreiben auch als Metapher. Denn während sich Schoch als Schrifstellerin fragt, was und in welcher Form, sie ihre Erlebnisse und Gedanken nach außen tragen und manifestieren möchte, überlege auch ich was ich anderen von meinem Inneren und von meiner Persönlichkeit zeigen möchte.
Und genau das ist es was ich an Schochs Romanen so unglaublich schätze und liebe: Sie lädt mich in ihrem Schreiben ein, an ihrer Gedankenwelt teilzuhaben, an ihren erinnerungswürdigsten Momenten, ihren Irrtümern und vor allem an ihrer Hoffnung, dass die Liebe doch keine Unmöglichkeit ist.
Diese Möglichkeit der Liebe nimmt auch im letzten Teil wieder viel Raum ein. Nach dem Beleuchten der langjährigen Liebe unter der Belastung von kleinen Kindern und unterschiedlichen Entwicklungen aus „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ geht Schoch jetzt wieder zurück zur Leidenschaft einer jungen, zeitlich begrenzten Beziehung.
Trotz Ehe ist die Beziehung keine Affäre, aber ist es Liebe?
In einer Schriftstellerkolonie im Westen der USA, in der sich die Erzählerin für einige Zeit zum Schreiben aufhält, trifft sie auf einen Katalanen, ebenfalls Schriftsteller, mit dem sie umstandslos eine körperliche Beziehung aufnimmt.
“Vielleicht passiert die Liebe, dieses Gefühl, wenn wir uns zu jemandem hingezogen fühlen, immer nur so: stellvertretend für etwas viel Früheres, Älteres, das uns verloren gegangen ist und das wir zurückerlangen wollen. Alle Liebe ist nur ein Ersatz-Haltegriff, habe ich irgendwo gelesen.”
Genauso umstandslos endet die Beziehung auf beiden Seiten mit Ablauf des Aufenthaltes. Und doch bleibt die Erzählerin von dieser Begegnung und dem Katalanen noch einige Zeit fasziniert. In der Kurzbeschreibung wird es eine „folgenreiche Liebesbegegnung“ genannt. Aber ist es Liebe?
Mir gefällt es ganz besonders gut, wie Schoch mit großer Lebensweisheit die Ambivalenzen und Widersprüche des Lebens herausarbeitet, die ich persönlich auch in meinem Lebenslauf und in meinen Beziehungen empfinde. Das macht Schochs Literatur für mich zu einer ganzheitlichen Leseerfahrung, aus der ich viel mitnehmen kann und so über den üblichen Eskapismus hinausgeht, dem ich sonst so gerne beim Lesen fröne.
Darauf was wir nach Abschluss der Trilogie von Schoch lesen werden, bin ich sehr gespannt! Ich möchte die Rezension mit einer Leseempfehlung für Schochs Romane schließen und mit dem Zitat, dass mich aus „Wild nach einem wilden Traum“ vielleicht am allermeisten abgeholt hat:
„Gewisse Bereiche des eigenen Lebens belässt man im Dunkeln, auch vor sich selbst, weil sie einem unlogisch und nicht nachvollziehbar erscheinen, weil man keinen Zugang zu ihnen hat.“
Vielen lieben Dank an den dtv Verlag für das sehr gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Julia Schoch für ihren Roman!
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