War „Alle unsere Leben“ etwa…Romance? Äh, also ein Liebesroman?
Für einen waschechten Liebesroman muss laut Wikipedia das zentrale Thema „Liebe“ sein, das heißt, „Alle unsere Leben“ passt genau in dieses Genre.
Aber eigentlich lese ich ja gar keine …Liebesromane, und ich bin nicht uneingeschränkt begeistert vom Roman der renommierten irischen Autorin. Trotzdem kullern mir am Schluss doch ein paar Tränchen über die Wange, so sehr rührt mich der Ausgang der Geschichte von Milly und Pip.
Milly und Pip sind beide aus Irland nach England ausgewandert und versuchen in London ihr Glück. Milly ist eine ganz junge Frau und findet in einem Pub Arbeit als Bedienung. Dort fällt ihr unter den Gästen schon bald der attraktive junge Boxer Pip auf, der ebenfalls Ire ist.
Dwyer Hickey legt den Roman auf zwei verschiedenen Zeitebenen an: Die eine beginnt in der Vergangenheit 1979 und erzählt aus Millys personaler Perspektive. Die andere beginnt 2017 und erzählt die Geschichte des älteren Pip. Die Lebenswege der beiden Hauptfiguren kreuzen sich mehrmals über die Jahrzehnte und obwohl beide über die Jahre verschiedene andere Partner*innen haben, nähern sie sich immer wieder einander an.
Vor allem Milly ist sich ihrer Liebe für Pip seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht sehr bewusst.
Nur das Leben kommt irgendwie immer dazwischen.
“Alle unsere Leben“ – Milly und Pip
Milly ist bereits schwanger, als sie nach London kommt und muss sich mit den Konsequenzen auseinandersetzen, während Pip nach seiner Boxkarriere viele, viele Jahre Alkoholiker ist.
“Du siehst, dass er kaputt ist, und willst ihn wieder heil machen. Vergiss es, Milly. Der lässt sich nicht heil machen. Er ist gern kaputt.”
Für mich lebt der Roman davon, dass ich beide Figuren über so viele Jahre begleite, ihre Sorgen und Probleme teile und ihr Umfeld genau kennenlerne. Außerdem bearbeitet Christine Dwyer Hickey in ihrem umfangreichen Roman viele interessante gesellschaftliche Themen. Sie beschreibt beispielsweise das Gefühl der Ausgrenzung irischer Einwander*innen in London und wie sich die Hauptstadt im Laufe der Jahrzehnte verändert. Auch die persönliche Entwicklung von Milly und Pip beschreibt sie wunderbar nachfühlbar und menschlich authentisch.
Gerade im letzten Drittel des Romans, als die Figuren beginnen sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, gibt es einige sehr starke und emotionale Szenen.
Was ich an dem Roman weniger mochte, war der leicht schwerfällige, altmodisch wirkende Erzählstil, der sich auch stark im Wording niederschlägt. Allerdings muss ich zugeben, dass dieser Stil für die Zeit und die Menschen, die er abbildet, passend und authentisch ist. Er unterstreicht sogar die nostalgische Atmosphäre, die dem Roman seinen besonderen Zauber verleiht.
Wenn du also wie auf dem Klappentext beschrieben „eine epische Geschichte über Einsamkeit, Menschlichkeit und Sehnsucht“ lesen möchtest, könntest du mit „Alle unsere Leben“ eine gute Lesezeit haben.
Vielen lieben Dank an den Unionsverlag, der mir so großzügig ein Rezensionsexemplar dieses herzzerreißenden Romans zur Verfügung gestellt hat. Danke und viel Erfolg an Christine Dwyer Hickey für die deutsche Ausgabe ihres Romans!
Aus dem Englischen von Kathrin Razum
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