Vor ungefähr zwei Jahren erschien der Roman „Malus“ von Simone Hirth, der für mich ein aufregendes, feministisches Highlight war und in mir den dringenden Wunsch geweckt hatte, mehr Literatur der wahlösterreichischen Schriftstellerin zu lesen.
Jetzt ist mit „Die Kröte“ ihr neuer und fünfter Roman erschienen und gleich bei mir eingezogen.
Und auch in „Die Kröte“ bewegt sich Hirth weit im Reich der Metaebene und verwandelt ein bekanntes Märchen in eine zeitgenössische und feministische Geschichte.
Ich bin jetzt literaturgeschichtlich nicht ganz so sattelfest, aber die Grundzüge des Grimmschen Märchens „Der Froschkönig“ sind mir noch vage aus meiner Kindheit bekannt, was für die Lektüre von „Die Kröte“ von Vorteil, aber vielleicht nicht unbedingt notwendig ist.
Hirth Erzählerin Milena teilt ihr Leben ganz plötzlich mit einer Kröte. Naja, so ganz plötzlich ist die Kröte nicht erschienen. Du kennst es vielleicht: Dein Smartphone fällt ins Wasser und da gehst du auf das Angebot einer Random Kröte ein, es dir wieder zu besorgen. Natürlich nicht so ganz ohne Gegenleistung. Und so ist die Kröte jetzt eben da und verbreitet mit ihren ungebetenen Untertiteln eine immense Unsicherheit im Leben der Erzählerin.
“Seit die Kröte in mein Leben getreten ist, haben Verlust und Verlassen, Halt und Sicherheit eine andere Bedeutung, eine andere Dimension und Dringlichkeit für mich bekommen.”
Schnell merkt Milena, dass die Kröte nicht unbedingt ihr Bestes will, sondern Unwahrheiten verbreitet, sie manipulieren und Kontrolle ausüben will.
Außerdem greift die Kröte ihre unbewusste Gedanken und Wünsche auf, vereinfacht und verzerrt sie, bis Milena selbst nicht mehr weiß, was sie eigentlich gedacht hat.
Und jetzt verschwindet die Kröte nicht mehr so einfach, sie hat sich in Milenas Leben eingenistet.
Wie schon erwähnt, funktioniert Hirths parabelartiger Roman hauptsächlich über die Metaebene und ermöglicht so einen unendlichen Interpretationsspielraum.
Hast du auch eine Kröte in deinem Leben?
Für mich symbolisiert das Amphibium eine individuelle und gesellschaftliche Stimme, die scheinbar Hilfe und Orientierung anbietet und zunächst wie ein Mittel gegen Einsamkeit aussieht, dabei aber verunsichert und manipuliert.
Dabei denke ich konkret an rechte und populistische Strömungen, die komplexe Probleme bewusst vereinfachen und auf falsche Zusammenhänge reduzieren und so eine vermeintlich einfache Lösung anbieten.
“Im Märchen hat Komplexes, Vielseitiges, haben Nuancen keinen Platz. In der Wirklichkeit übrigens viel zu oft auch nicht.”
Die Kröte verhält sich zudem übergriffig und ihr Verhalten gegenüber Milena lässt sich als toxisch bezeichnen.
Der wirklich spannende Schluss auf den letzten Seiten unterstreicht diese Lesart. Es würden sich aber auch ganz andere Interpretationsansätze anbieten, wie das so oft bei Märchen der Fall ist.
Grundsätzlich ist „Die Kröte“, genauso wie es auch „Malus“ bereits thematisiert hatte, ein Roman, der die emanzipatorische Kraft des Erzählens und der Literatur betont. Und so stehen Milena auch wieder ein weiblicher Kanon aus literarischen Stimmen zur Seite.
“Es ist doch das Privileg und die Stärke der Literatur, dass sie Dinge beschreiben kann, die jenseits von wahr und unwahr liegen. Jenseits von real und irreal oder surreal.”
Der Roman war für mich jetzt vielleicht nicht so ganz das Highlight wie es „Malus“ für mich war, aber gerade der aufregende Schluss hatte mich jetzt auf den letzten Seiten wieder ganz gut aus dem etwas langwierig geratenen Metauniversum zurück auf die Erde geholt.
Vielen lieben Dank an Kremayr & Scheriau und Buch Contact für das Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Simone Hirth für ihren Roman!
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