Das Ende von „Die schlechte Gewohnheit“ hat mich wirklich sehr berührt. Fast kommen mir die Tränen, als ich die letzten Seiten umblättere.
Portero spiegelt zum Schluss eine Szene, die sie schon am Anfang des Romans beschrieben hat, diesmal mit anderen Vorzeichen.
Das ist unendlich traurig und wunderschön zugleich. Sie entlässt mich aus ihrem intensiven Roman erfüllt mit Hoffnung und Liebe.
Der Debütroman der Madrider Schriftstellerin und Dramatikerin Alana S. Portero zieht mich gleich von Anfang an in seinen Bann, denn er beginnt mit einem gefallenen Engel, in dem sich die Protagonistin als Mädchen verliebt.
Der gefallenen Engel ist ein drogensüchtiger junger Mann, der sich soeben aus dem Fenster in seinen Tod gestürzt hat.
Die Ich-Erzählerin wächst als Junge in einem Arbeiterviertel nahe Madrid in einem prekären, von Machismo geprägten Umfeld auf. Ihre Eltern sehen in ihr den gewünschten Sohn. Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit offen auszuleben kann gefährlich werden und wird zu der Zeit und in dem Umfeld gesellschaftlich stark geächtet.
Das ist der Erzählerin schon als kleines Mädchen nur allzu bewusst.
“Durch solche Peitschenhiebe, solche Sätze, die sich in mein Inneres hämmerten und die ich niemals vergessen würde, fand ich heraus, wer ich war. Bevor du dich selbst definierst, zeichnen andere mit ihren Vorurteilen und ihrer Gewalt deine Konturen vor.”
Eine verlorene Kindheit
Die folgenden Jahre des Erwachsenwerdens sind von Unterdrückung und Verheimlichung auf der einen Seite und von verstecktem exzessiven Ausleben auf der anderen Seite geprägt.
Portero beschreibt den ständigen Kampf um Identität, um Freiheit und um Liebe, aber auch um Unversehrtheit. In Madrid findet sie eine queere Szene und Solidarität bei wunderbaren Weggefährt*innen, aber die Zeiten ändern sich nur langsam. Trans- und queere Menschen führen ein Außenseiterleben und sind oft von Gewalt und offener Ablehnung bedroht, sobald sie als solche erkennbar sind.
“Ich war eine Frau, und meine Weiblichkeit konnte mir niemand herausschneiden wie einen Tumor, aber man konnte sie kleinhalten, wenn man nur genug Druck ausübte. Und das tat ich höchstselbst. Druck ausüben und meine Zelle von innen verschließen.”
„Die schlechte Gewohnheit“ ist ein großartiger und schmerzvoller Roman über Transidentät in einer Gesellschaft, die die Binarität der Geschlechter verinnerlicht hat und die von der der männlichen und patriarchalen Ablehnung und Abwertung alles Weiblichen dominiert wird.
Trotz des Leids empfinde ich Porteros Roman nicht als bitter oder düster.
Portero zeigt mir so viel echte Schönheit und Zärtlichkeit, die durch Liebe, Mitgefühl und Freundschaft entsteht.
Ich möchte dir diesen intensiven Roman, der mich emotional so erreicht hat, sehr ans Herz legen, falls er dich thematisch anspricht.
Ein großes Dankeschön geht an den Claassen Verlag der Ullstein Buch Verlage für das Rezensionsexemplar von „Die schlechte Gewohnheit“ mit dem wunderbar passenden Cover und ich danke Alana S. Portero für diesen Roman und wünsche ihr viel Erfolg!
Aus dem Spanischen von Christiane Quandt
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