Das war keine einfache Sachbuchlektüre, das war ein länger andauerndes Projekt. Durch manche Kapitel haben mich nur mein Durchhaltewillen und die Faszination für das Thema getragen, anstatt das Lesevergnügen.
Zeitweise nahm ich Unterstützung in Form von Sekundärdokumentationen in Anspruch. Lustigerweise kam in manchen Dokus auch Neil Price als führender Experte für die Zeit der Wikinger zu Wort. So hatte ich komfortablerweise ein Gesicht zu „die wahre Geschichte der Wikinger“.
Gut, um was es in dem Buch geht, macht bereits der Titel klar. Die Wikingerzeit geht gemäß gängiger Definition vom Angriff auf das Kloster in Lindisfarne 793 bis zur Schlacht bei Stamford Bridge in Yorkshire 1066. Natürlich ist es nicht so einfach, wie Price immer wieder betont. Die Ränder der Wikingerzeit fransen aus und sind nicht an konkreten Ereignissen festzumachen.
Price geht in seinem umfangreichen Werk v.a. auf die Gründe und Abläufe der Wikinger Expansion ein und analysiert die komplexen und vielfältigen Gesellschaftsstrukturen in Skandinavien zu jener Zeit.
Ausführlich geht er auf gängige Wikingerstereotype ein und untersucht sie auf ihren Wahrheitsgehalt.
Ziemlich interessant fand ich den Aspekt, dass die Wikinger durchaus schon zwischen Geschlecht und Gender unterschieden, was aus heutiger Sicht ziemlich modern anmutet. Genauso wie ihre Vorstellung, die weit über die Dualität des biologischen Geschlechts hinaus reichte.
Price warnt jedoch mehrfach vor einer Romantisierung der Wikinger und manche Schilderungen von Gewalt- und Menschenopferexcessen sind wirklich grauenhaft. Auch gehören Sklaverei und patriarchale und institutionalisierte Unterdrückung zum Alltag der vielen weniger privilegierten Menschen.
Insgesamt gibt das Buch einen guten Überblick über viele Aspekte der Wikingerzeit und ist sicher für alle Interessierten sehr empfehlenswert. Große Abstriche muss ich allerdings beim Unterhaltungsfaktor machen. Viele Kaptitel enthalten derart viele (und für mich langweilig geschilderte) Informationen, dass ich nur häppchenweise lesen konnte. Gerade die ganze Um- und Besiedlungsgeschichte im Mittelteil empfand ich persönlich als langatmig und leider wenig spannend.
Dabei kann man eigentlich immer Prices Leidenschaft für das Thema zwischen den Zeilen herauslesen, in Summe ist mir sein Schreibstil aber zu trocken.
Übersetzt von Ursula Blank-Sangmeister
Erschienen ist dieses Sachbuch beim S. Fischer Verlag.
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