Der Klappentext des Romans „Ich komme nicht zurück“ hat mich eigentlich gar nicht so angesprochen, aber die Leseprobe hat mich derart geflasht, dass ich dachte: bitte, ich will dieses Buch lesen, dringend!
Hanna, Zeyna und Cem.
Ihre Freundschaft ist in Kindertagen so stark, dass sie ganze Familien zusammenbringt. Vor allem Hanna und Zeyna, beide mutterlos, sind sich so nah wie Schwestern, teilen als sich Mädchen alle Kindheitserlebnisse. Dazwischen Cem, der ausgleichende, helfende und vermittelnde Teil des ungleichen Dreigestirns.
Hanna ist die Ich-Erzählerin in Rasha Khayats Roman, mittlerweile erwachsen, fast 40 Jahre alt und in einer Lebenskrise. In ihrer Erzählung addressiert sie ein Du, ihre Freundin Zeyna. Sie spricht sie direkt an, denn die Freundinnen haben seit Jahren keinen Kontakt mehr. Zeyna ist einfach verschwunden, sogar den Tod und die Beerdigung von Hannas Großmutter Felizia, die auch eine enge Bezugsperson von Zeyna war, hat sie verpasst.
Warum dieser Bruch zwischen den einstmals so engen Freundinnen? Auch Cem ist ratlos, versucht die haltlose Hanna zu unterstützen und gleichzeitig seine eigenen Grenzen zu wahren.
Langsam lässt Khayat ihre Erzählerin zurückgehen, zurück in die Zeit, in der noch alles heile war. Eine Zeit, als es schien, als könne ihre gewählte Familie alles überwinden und für immer zusammensein. Mit dem Älterwerden zeigen sich aber die Unterschiede in Charakter und Lebensplanung immer deutlicher und die Gemeinschaft bekommt Risse. Trotzdem gelingt es den dreien noch lange und trotz der Entfernung ein Band aufrecht zu halten.
Was hat es dann endgültig zerrissen?
Khayats wunderbar poetischer und intensiver Schreibstil macht die Einsamkeit und die Verlorenheit ihrer Erzählerin greifbar. Aus den Seiten spricht ihre Trauer über den Verlust geliebter Menschen und ihre Schwierigkeit loszulassen. Hanna wird gequält von Schuldgefühlen und sehnt sich nach Absolution. Irgendwas hindert sie daran, im Leben weiterzugehen.
Kein Leben aus Schuldgefühlen?
Nur in kleinen Schritten geht Khayat zum den Ursprung des Zerwürfnis zurück und das macht den Roman bis zur letzten Seite unglaublich spannend und emotional intensiv. Ich finde die literarische Ausdruckskraft, die Khayat auf den nur 171 Seiten entfesselt, unglaublich stark und sehr, sehr gelungen.
Die Stimmung in „Ich komme nicht zurück“ empfinde ich gleichzeitig als melancholisch und warm. Die Melancholie finde ich in den vielen Abschieden und die Trauer über die Veränderungen, die Wärme in der Freundschaft und der Liebe, die in der Wahlfamilie entsteht und die nicht ohne Spuren bleibt.
Für mich ein großartiger und wunderschöner Roman!
Danke an den Dumont Buchverlag und Vorablesen für das gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und natürlich viel Erfolg an Rasha Khayat für den Roman!
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