Ich liebe, liebe, liebe Aussteiger*innengeschichten! Also Geschichten von Menschen, die von ihrem Leben die Nase voll haben, meistens auch vom Leben in der Stadt, und dann aus allem ausbrechen. Oft ziehen diese Menschen dann aufs Land. Aber ob dort dann alles so rosig und idyllisch ist, ob sie dort im Einklang mit der Natur leben können und sie ihr wahres Selbst finden, hängt von der Art des Romans und der Geschichte ab.
Allein schon deswegen ist „Mammut“ von Eva Baltasar, die als eine der wichtigsten Stimmen der katalanischen Gegenwartsliteratur gilt, ein perfektes Match für mich.
Darin kehrt die Ich-Erzählerin, eine Frau geschätzt um die 30, der Stadt den Rücken, nachdem ihre Versuche, schwanger zu werden, fehlgeschlagen sind. Die Erzählerin sieht gerade gar keine Richtung, die sie mit ihrem Leben einschlagen will. Ihre Arbeit an der Universität ist prekär und wenig erfolgsversprechend, ihre eigene wissenschaftliche Arbeit scheint ihr sinnlos und nicht zielgerichtet.
Einen Partner hat sie nicht, was auch ihre Versuche, schwanger zu werden, erschwert hat.
Nachdem sie sich eine Weile in ländlichen Regionen umgesehen hat, mietet sie schließlich einen alten, abgelegenen und verfallenen Hof bar jeglicher Annehmlichkeiten wie warmes Wasser oder Strom.
Sie beginnt mit harter körperlicher Arbeit, den Hof wieder bewohnbar zu machen.
„Mir gefällt dieser Zwang, mich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Dass die Notwendigkeit einer Wanne banale Gedanken vertreibt.“
Mir gefallen diese Beschreibungen, wie die Erzählerin pragmatisch ihre Vorhaben umsetzt, unglaublich gut. Hier ist keine Spur von Landidylle und knisterndem Lagerfeuer, sondern das Holz muss erst besorgt und mühsam gespalten werden, bevor es für den Winter eingelagert wird. Das Geld ist knapp und so muss sich die Erzählerin auch immer wieder überlegen, wie sie ihre Finanzen für die Miete und die rudimentäre Versorgung aufbessern kann.
Und wo ist das „Mammut“?
In der Nähe wohnt noch ein älterer Schäfer, der ihr manchmal mit seinem Traktor hilft und bei dem sie anfängt zu putzen.
Alles besser auf dem Land also? Die Erzählerin arbeitet weiterhin prekär, ihre Wohnsituation hat sich dramatisch verschlechtert und für jede kleine Annehmlichkeit, wie warmes Wasser, muss sie hart arbeiten.
Dennoch findet die Erzählerin auf dem Hof auch genau das, was sie gesucht hat:
„Einsamkeit macht nicht intelligent, aber findig, sie bringt dich dazu, dich für das Leben zu entscheiden, sie zwingt dir eine immense Liebe auf, die wichtigste überhaupt: die Liebe zu dir selbst.“
Und die Männer? Sagen wir es so, die Probleme, die die Erzählerin mit Männern aus der Stadt hatte, lassen sich auch auf dem Land nicht so einfach abschütteln.
Baltasars Erzählstil ist reduziert und auf die Persönlichkeit ihrer Ich-Erzählerin ausgerichtet, die ich als zupackend, pragmatisch und moralisch flexibel empfinde und mir natürlich sehr gut gefällt.
Ich habe diesen Roman mit sehr großer Faszination gelesen und konnte ihn nicht aus der Hand legen, bis ich ihn zu Ende gelesen hatte (okay, er hat nur knapp über 100 Seiten). Gerade der Schluss hat mich super nachdenklich gemacht und sorgt dafür, dass mir der Roman noch einige Zeit im Kopf bleiben wird. Große Begeisterung für diesen intensiven und gehaltvollen Text der spanischen Poetin!
„Mammut“ ist übrigens der Abschluss von Baltasars lose zusammenhängender dreiteiliger Romanreihe über das Leben von Frauen in der modernen Gesellschaft. Meines Wissens nach ist aber bis jetzt nur „Mammut“ auf Deutsch erhältlich, die anderen beiden Romane der Trilogie wurden ins Englische übersetzt. Ich hoffe sehr auf weitere Übersetzungen ins Deutsche.
Vielen lieben Dank an den Schöffling Verlag für das gewünschte Rezensionsexemplar mit dem krassen Cover. Danke und viel Erfolg an Eva Baltasar für die deutsche Übersetzung ihres Romans!
Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann
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