Rezension
Völlig überraschend bin ich bei „Nacht ohne Morgen“ auf einen wunderbaren Liebesroman gestoßen. Der Klappentext ließ eigentlich fast einen Kriminalroman vermuten. Es gibt zwar spannenden Elemente, es gibt Verbrechen, es gibt Täter*innen, dennoch ist die Grundessenz des Debütroman des Parisers d‘Halluin die Liebe.
Der Roman startet mit einem dramatischen Prolog: der junge Mann Alexis wird in der Nähe von New York von einem Auto angefahren und so schwer verletzt, dass er ins Koma fällt. Es ist klar, es war kein Unfall, aber es ist nicht klar, wer am Steuer saß.
Cut
Auf der anderen Seite des Ozeans erfährt Alexis Mutter Catherine telefonisch vom Unfall ihres Sohnes und macht sich mit gemeinsam mit dem mysteriösen Marc auf den Weg um ihrem Sohn beizustehen.
Wer ist dieser Marc? In welcher Beziehung steht Marc zu Alexis?
D‘Halluin nimmt sich nach dem rasanten Einstieg viel Zeit die Lebensgeschichten von Marc und Alexis von hinten aufzurollen. Von ihrer Kindheit und Jugend bis hin zu ihren ersten sexuellen Erfahrungen.
Doch während Marc von seinem Vater wegen seiner Homosexualität verstoßen wird, erzählt Alexis seiner oberflächlich intakten Familie nie von seinen Beziehungen zu Männern. Den schweren Missbrauch in seiner Jugend durch seinen Lehrer verschweigt er ebenfalls.
Beide Männer durchlaufen längere Phase der Orientierungslosigkeit und der ausschweifenden Suche nach einem Sinn im ihrem Leben.
Kann die Liebe Halt geben?
„Das Problem ist nur, dass er im Grunde noch immer nicht weiß, was er im Leben will. Er bleibt dieses Schiff, das seinen Kurs nicht kennt.“
Dann begegnen sich Marc und Alexis.
Es ist Liebe.
Wie hat die Geschichte von Marc und Alexis mit dem Autounfall zu tun? Finden sich die Gründe in der Vergangenheit von Marc, Alexis oder gar Catherine?
Nicht nur diese Frage macht den Roman für mich zum spannenden Lesevergnügen, sondern auch die Frage, ob Marc und Alexis geschafft haben, ihre leidenschaftliche Liebe in einen vertrauensvollen Alltag zu überführen und wie sie zum Zeitpunkt des Unfalls zueinander stehen.
Der Schreibstil von d‘Halluin wirkt teilweise sehr gediegen, altmodisch anmutend, entwickelt aber einen ganz eigenen Sog und ist immer klar in seiner Aussage. Die häufige Verwendung von direkter Rede macht die Dialoge und die Figuren lebendig.
Ich las „Nacht ohne Morgen“ mit großem Vergnügen, vor allem die realistische Darstellung einer belasteten Liebe konnte mich abholen, die dramatisierte Auflösung des Krimiplots hätte es für mich dann gar nicht mehr gebraucht.
Vielen, vielen Dank an den Verlag Karl Rauch und an Politycki und Partner für das wunderbare Rezensionsexemplar, auf dessen haptisch und optisch ansprechendes Cover ich ganz besonders hinweisen möchte!
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