Neben Fremden von Eva Schmidt

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Neben Fremden Eva Schmidt Rezension

Mist, mein Wunschzettel wächst einfach ins Unendliche, aber nachdem ich „Neben Fremden“ von Eva Schmidt gelesen habe, möchte ich unbedingt noch mehr von der österreichischen Schriftstellerin lesen.

Und zwar nicht, weil „Neben Fremden“ so unvorstellbar aufregend oder spannend war, sondern weil Schmidt in ihrem Roman so grandios und so treffsicher von einem ganz banalen Leben erzählt. Von so einem Leben, wie du und ich es vielleicht auch haben.

Die Ich-Erzählerin Rosa ist eine ältere, mittlerweile verrentet Frau, die zusammen mit ihrem Hund in einer kleinen Wohnung wohnt. Gerade erst ist ihr Freund Fred gestorben, mit dem sie eine längere Beziehung hatte, obwohl er noch mit einer anderen Frau verheiratet war.

Von Fred hat sie auch erst vor kurzem cheinen Campingbus geschenkt bekommen, eigentlich für gemeinsame Touren und Ausflüge.

Rosa hat außer einer Freundin und ihrer Mutter ansonsten nicht viele Sozialkontakte, sie hält Distanz zu Nachbarn und sucht auch nicht aktiv nach Anschluss. Nur dass sie zu ihrem Sohn schon lange keinen Kontakt mehr hat, schmerzt sie manchmal.

Freds Tod hat sie nachdenklich gemacht, und sie beschließt, mit dem Camping Bus ein paar Tag wegzufahren.

Was bei anderen Autor*innen vielleicht der Anfang zu einem aufregenden Selbst-Findungs-Roadtrip inklusive Neustart und YOLO-Vibes wäre, ist es bei Schmidt all das nicht.

Die Gewohnheiten, der Alltag und die inneren und äußeren Zwänge und Verstrickungen sind eng für die Erzählerin und binden sie an ihr Leben.

„Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Andere hatten einen Plan. Ich hatte keinen, hatte nie einen gehabt. Sehnsüchte ja, Wünsche, aber keine Ziele. Eigentlich habe ich immer nur reagiert, dachte ich.“

Und dann wird ihre Mutter krank, zu der Rosa ebenfalls ein merkwürdig distanziertes Verhältnis hat. Schmidt beschreibt eine Mutter-Tochter Beziehung, die vielleicht typisch ist für die Generation meiner Eltern, zu der auch die Autorin gehört.

„Ich hatte sie gekränkt, hatte sie nicht ernst genommen, hatte versucht, sie aufzumuntern, anstatt zu trösten. Ich hatte kein Verständnis für sie, obwohl sie meine Mutter war und alles für mich getan hatte.“

Es ist diese Sprach- und Wortlosigkeit, die in so vielen Familien herrscht. Sie hat auch Rosas Aufwachsen geprägt und sticht in Schmidts Roman so deutlich hervor.

Wortlosigkeit einer ganzen Generation

„Neben Fremden“ ist auch ein Roman über Abschiede, über ungelebtes Leben, über „hätte, hätte, Fahrradkette“, über verpasste und verstrichene Möglichkeiten. Über die Enge des Lebens und die Unfähigkeit und Unmöglichkeit diese zu überwinden.

„Meinem Vater fehlte es an Ehrgeiz, mehr aus sich zu machen. Er wollte leben, wusste nur nicht, wie. Genau wie ich.“

Und immer wieder das große Überthema, das auch schon im Titel steckt: “Neben Fremden” ist ein Roman über den Wunsch nach einer Verbindung zu anderen Menschen. Und über die Sehnsucht, anderen wirklich nahe zu sein.

Großartig finde ich dabei, wie leise und realistisch Schmidt diese großen und universellen Themen heraus arbeitet. Ich finde leise Erzähltöne oft, naja, langweilig, aber hier finde ich es berührend. Gerade auch, dass Schmidt mir keine Wertung vorgibt, gefällt mir und rührt mich.

„Neben Fremden“ ist damit so ein bisschen der Gegenentwurf von Romanen wie „Eat, Pray, Love“ (die natürlich ebenfalls toll seien können und ihre Berechtigung haben).

Ich find „Neben Fremden“ ganz unspektakulär einfach toll.

Kritik habe ich allerdings für die Kurzbeschreibung auf der Umschlagsseite. Die ist meiner Meinung nicht gut gelungen, nimmt zu viel und das Falsche vorweg und wird dem Roman nicht gerecht.

  • Neben Fremden Eva Schmidt Klappentext
  • Eva Schmidt

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