Ich bin mit falschen Erwartungen in den Roman gegangen. Irgendwie dachte ich es geht um eine Frau, die auf einer Bohrinsel recherchiert und um männliche Abgründe, sich dort im homogenen Klima auftun.
Eigentlich geht es die Journalistin Tabitha, die in Aberdeen Recherchen über die Männer auf Ölplattformen anstellt und sie dafür interviewt. Ausschnitte aus diesen Interviews verwendet sie im Roman. Gleich zu Beginn ihrer Interviews lernt sie den verheirateten Ölarbeiter Caden kennen und eine Beziehung entwickelt sich.
Tabitha ist fasziniert von dem rätselhaft scheinenden, schweigsamen Mann. Die rauhe und rücksichtslose Männlickeit zieht sie an. Die Beschreibung der körperlichen Leidenschaft und Intimität zwischen den beiden und Tabithas Obsession für die Beziehung hat mir sehr gut gefallen und wirkt sehr authentisch. Sie verliert sich zunehmend in ihren Projektionen, ihre journalistische Distanz ist nur noch Schein und ihr Alltag ist bald geprägt von Ziellosigkeit und Excess.
O.k. das mit den männlichen Abgründen stimmt teilweise. „Ich wollte sehen wie Männer sind, wenn sie keine Frauen um sich haben.“ Gut, das ist jetzt kein Geheimnis oder keine große Überraschung.
Dass sich im männlichen geprägten Mikroklima einer Ölplattform nur selten literarischen Kaffeekränzchen entwickeln, dürfte klar sein. Dass sich misogyne Tendenzen in reinen Männerrunden unter gewissen Umständen verstärken können (!), weiß jede/r, der/die schon Berührungspunkte mit männerdominierten Branchen und Milieus hatte.
Mir hat dieser authentische autobiografische Roman ziemlich gut gefallen. Lasley ist absolut offen in ihrer Selbsterkundung und menschlich in ihrer Verlorenheit.
Sehr interessant fand ich die kurzen Einblicke in die Geschichte und Funktionsweise von Ölplattformen, die Lasley fast sachbuchartig ausgearbeitet hat.
Übersetzt von #tanjahandels
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