Schon öfter habe ich mich als Mensch, der viel auf Social Media unterwegs ist, gefragt, wie dieser ganze verrückte Kram auf jungen Menschen wirkt. Meine Vermutung ist, dass es den ganzen Struggle, den die Jungend und das Erwachsenwerden mit sich bringt, nicht unbedingt besser macht.
In „Toyboy“ gibt der Berliner Autor Jonas Theresia einen kleinen Einblick in diese Struggles und die junge Gedankenwelt. Seine beiden Protagonisten Levin und Gregor sind Brüder und zwei richtige lost boys.
Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Levin erzählt, der nach einem längeren Aufenthalt in LA jetzt wieder zu Hause ist. Seine Karriereträume von Fame und Glamour haben sich nicht erfüllt und jetzt nutzt er seine neuen Erfahrungen vor der Cam als Toyboy. Er stellt fest, dass sich auch sein jüngerer Bruder während seiner Abwesenheit verändert hat und seine Leben mittlerweile nur noch in Online-Games stattfindet. Ihr einstmals enger Kontakt ist abgebrochen.
Beide jungen Männer sind von den Herausforderungen des Lebens überfordert, ihre Mutter kümmert sich nicht um sie und ihr Vater ist bereits tot. Beide versuchen mit dem Gefühlschaos und ihrer Verlorenheit irgendwie zurechtzukommen, ohne jedoch genau zu wissen, wie das gehen könnte.
“Da erscheint ein Paar Engelsschwingen aus dem Nichts, schlägt einem heiße Wunden und verschwindet wieder. Bei meinem Bruder war es Oxana, bei mir war es LA. Wenn einen die Hoffnung lang genug ködert, wird man süchtig nach ihr.”
Als Gregor seinem Bruder schließlich gesteht, dass er seiner „Freundin“, einer Erotikinfluencerin, viel Geld überwiesen hat und sie danach Schluss gemacht hat, er sie aber noch immer liebt, sieht Levin das als willkommene Aufgabe. Er schmiedet einen Plan, um seinem Bruder das Geld wieder zu beschaffen.
Ein Plan, der nur schiefgehen kann…
Von Absurditäten, die aber durchaus im Bereiche des Möglichen liegen, mangelt es in dem Roman nicht. Ob es jetzt der Pornodreh ist, bei dem Levin seinen Mann stehen muss, oder die spirituelle Abgedrehtheit der Influencerin, diese Szenen sind herrlich surreal und gleichzeitig könnte ich es mir in der Realität vorstellen.
Gegen die Kälte und Gefühlsökonmie, die in virtuellen Welten und in der Sexindustrie vorherrscht, setzt Theresia analoge echte Freundschaft und Verbindlichkeit. Nur die Liebe kann uns retten?
Ich fand in „Toyboy“ ein spannendes Porträt einer Generation, die nicht die meine ist, die aber mit der gleichen Verlorenheit zu kämpfen hat, wie schon die Generationen vor ihr. Aber zusätzlich erschwert von den Herausforderungen einer immer vernetzteren und gleichzeitig isolierteren Welt.
Kleinere Kritikpunkt hatte ich an der Ausarbeitung der Geschichte, die mir anfangs etwas zu episodenhaft und szenisch war, um dann allerdings auf eine Art verwirrenden Showdown hinzusteuern, den ich literarisch sehr gelungen fand. Auch die lapidare Abhandlung mancher Themen war nicht so ganz mein Ding, hat aber zum lakonischen Erzählton gepasst und könnte genauso auch als positiv gewertet werden.
Definitiv ein Roman, den ich gerne gelesen habe und der mit absurden und ungewöhnlichen Szenen zu unterhalten weiß.
Vielen lieben Dank an den Kein & Aber Verlag für das Rezensionsexemplar mit der schönen Covergestaltung.
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