Als ich „Ungebetene Gäste“ im Frühjahrsprogramm von Kein & Aber entdeckte, habe ich mich sehr gefreut. Ich habe den letzten Roman der renommierten israelischen Autorin „Wo der Wolf lauert“ sehr gerne gelesen.
Auch diesmal spielt wieder eine Mutter eine zentrale Rolle in Gundar-Goshens Geschichte.
Seit Naomi vor über einem Jahr ihren Sohn Uri auf die Welt gebracht hat, ist sie kaum aus ihrer Wohnung gekommen. Das Stillen und die Angst um ihr wunderbares Wunschkind hält sie in der kleinen Wohnung gefangen. Mit der Mutterschaft geht für sie auch ein neues Selbstverständnis einher.
„Schließlich ist sie jetzt Mutter, nicht einfach bloß eine Frau, und eine Mutter trägt Verantwortung für ihr Kind.“
Und ausgerechnet in dieser sensiblen Zeit hat jetzt ihr Mann Juval in seiner Abwesenheit ausgerechnet einen arabischen Handwerker ins Haus bestellt.
Im Laufe des Tages kommt es zu einem schrecklichen Unfall, der für einen unbeteiligten Jugendlichen tödlich endet.
Es entsteht ein Missverständnis, wer für diesen Tod verantwortlich ist und der arabische Handwerker wird festgenommen.
Naomi könnte dieses Missverständnis schnell aufklären, aber um welchen Preis? Überfordert entscheidet sie sich zu schweigen und belügt außerdem ihren Mann über den Hergang der Ereignisse. Überraschenderweise löst sich diese erste Lüge recht schnell im Verlauf des Romans auf. Die Konsequenzen verfolgen die junge Familie allerdings sogar noch, als sie von Israel nach Lagos in Nigeria umzieht.
Es sind die Lügen und die Schwierigkeiten, das Richtige zu tun, die in diesem Roman von Ayelet Gundar-Goshen in verschiedenen Variationen im Mittelpunkt stehen.
So hieß der Roman in der Vorschau noch „Weiße Lügen“, während der finale Titel jetzt zu „Ungebetene Gäste“ wurde. Mich regen beide Titel zum Nachdenken an, vor allem, jetzt nachdem ich den Roman fertig gelesen habe.
Überhaupt lässt Gundar-Goshen durch das Verhalten ihrer Figuren viele Fragen nach dem richtigen und dem falschen Handeln aufkommen, die manchmal eindeutig, aber manchmal eben vielleicht nicht so eindeutig für mich zu beantworten sind.
Ebenfalls thematisiert Gundar-Goshen Rassismus und interkulturelle Konflikte, die sowohl in Israel als auch in Nigeria für gesellschaftliche Spannungen sorgen. Und wie auch in „Wo der Wolf lauert“, gibt es wieder einige innerfamiliäre Reibungen sowie versteckte und unausgesprochene Sehnsüchte.
Auf den ersten Blick scheinen Gundar-Goshens Geschichten und Figuren für mich immer ein wenig plakativ und fast flach. Allerdings zeigt sich schon beim zweiten näheren Blick die charakterliche Ambivalenz ihrer Figuren und die Relevanz ihrer moralischen Probleme.
Das hat mir in „Wo der Wolf lauert“ fast noch besser gefallen, da sich Gundar-Goshen hier, wenn ich das richtig erinnere, stärker in der Anzahl der moralischen Dilemmata begrenzt. In „Ungebetene Gäste“ sind mir die Themen fast zu variationsreich und es sind für mich zu viele Figuren und moralische Fragestellungen. Quasi verdoppeln (oder spiegeln?) sich die Handlungsstränge auch noch durch die Verlagerung des Settings von Israel nach Nigeria.
“Ungebetene Gäste” gibt mir einiges zum Nachdenken mit und solche Romane bleiben mir normalerweise auch ein länger im Gedächtnis.
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Vielen lieben Dank an den Kein & Aber Verlag für das spannende Rezensionsexemplar.
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