Ich interessiere mich schon länger für die Geschichte der Wikinger und bin damit nicht alleine. In Filmen, Serien und in der Literatur gibt es eine anhaltende Begeisterung für das sagenumwobene und mythenumrankte Volk.
Letztes Jahr las ich „Die wahre Geschichte der Wikinger“ von Neil Price, was sich als umfangreiche und langwierige Lektüre entpuppte. Der geschichtliche Informationsgehalt seines Buches war enorm hoch und offenbarte mir überraschende Details aus dem Alltag eines Wikingerlebens. Eines männlichen Wikingerlebens wohlgemerkt.
Denn auch wenn Neil Price und andere Sachbücher und Dokumentationen auf das Leben von Wikingerfrauen eingehen, so meist nur als Unter- oder Nebenkapitel.
Umso erfreuter war ich, als das Buch von Jóhanna Katrín Friðriksdóttir entdeckte, das sich ausschließlich mit den Frauen der Wikinger beschäfftigt.
Kleiner Spoiler: sie waren natürlich nicht alle Walküren.
Hauptsächlich anhand von mittelalterlichen Texten und Sagas aus Island, zeigt Friðriksdóttir, dass zumindest in der Literatur Frauen alle möglichen machtvollen Rollen annehmen konnten. Und Grabfunde und Steininschriften können belegen, dass einzelne Frauen auch in der Realität handlungsfähig und mächtig seien konnten.
Dennoch zweifellos unterschied sich das Leben von Frauen und Männern der Wikingerzeit, wobei die weiblichen Handlungsspielräume stark abhängig von Alter, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Status, regionaler Herkunft und ethnischer Abstammung waren.
„Das Geschlecht ist eine fundamentale Kategorie, die menschliche Gesellschaften schon seit Anbeginn der Geschichte geprägt hat, sich aber keineswegs auf die schlichte Binarität von weiblich und männlich reduzieren lässt.“
Friðriksdóttir beschreibt ausgerichtet an den verschiedenen Lebensphasen vom Säuglingsalter über das Erwachsenenleben mit Heirat und Mutterschaft bis hin zum Tod und Leben im Jenseits, das Leben einer Frau in seinen verschiedenen Facetten. Meist belegt mit Geschichten und Beispielen aus den erwähnten Sagas.
Sagas als wichtige Quelle
Mich fasziniert besonders das immer wiederkehrende Motiv der nach Rache dürstenden Frau, die ihre männlichen Angehörigen zu gewalttätigen Vergeltungstaten anstifteten und die ganze Königreiche und Familie in den Krieg und den Untergang rissen. Bis heute findet sich dieser unsterbliche Topos in der Literatur, wie beispielsweise in Lady Mcbeth.
Ich finde Jóhanna Katrín Friðriksdóttir hat mit „Walküren“ ein kompetentes und gut lesebares Sachbuch vorgelegt, dass die sonst an männlicher Politik und Krieg orientierter Fachliteratur wunderbar ergänzt und das Leben und die Rolle von Wikingerfrauen sichtbarer macht.
Für geschichtlich interessierte Leser*innen auf jeden Fall eine Empfehlung!
Vielen lieben Dank an den C.H.Beck Literatur Verlag für das sehr gewünschte Rezensionsexemplar.
Aus dem Englischen von Franka Reinhart und Violeta Topalova
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