12 Grad unter Null von Anna Herzig

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12 Grad unter Null Anna Herzig Rezension

Dieser Roman „12 Grad unter Null“ traf mich komplett unvorbereitet auf voller Breitseite. Die österreichische Autorin Anna Herzig war mir bis dahin noch kein Begriff, von daher war ich ziemlich gespannt, als dieses schmale Bändchen von einem Roman bei mir ankam.

Und zwischen den Buchdeckeln? Alter! Geil man! So viel Kraft, so viel Sprachgewalt! Herzig drückt aus, was in meinem Kopf wütet. Endlich ein Aufschrei, den ich in der breiten Gesellschaft so vermisse.

Es ermöglicht allen Männer, von sämtlichen Frauen, mit den sie in Beziehung oder Verwandtschaft stehen oder standen, investiertes Geld zurückzufordern. Bei Zahlungsunfähigkeit droht der soziale Pranger.

In den Mittelpunkt der Handlung stellt Herzig zwei unterschiedliche Schwestern: die schwangere Greta, die jetzt mit den Geldforderungen ihres toxischen Partners konfrontiert wird, und Elise.

Einen großen Teil des Romans nehmen die Rückblicke in die Kindheit und das Leben der zwei Schwestern ein und in die traditionelle Familienkonstellation aus Vater, Mutter, Kinder.

Im Zentrum der Familie steht der Patriarch als uneingeschränkter Herrscher. Der allmächtige Vater, der das Geld verdient und seine Frauen devot und gefügig mag.

„Nichts ist wichtiger als diese Suppe. Und der Gehorsam der Mutter. Beides, so sagt er gelegentlich, habe er mit der Heirat, als Ernährer der Familien, erstanden.“

Die Erniedrigungen und Gewalt , die vom Vater ausgehen, zerstören die Frauen der Familie.

„Femizid beginnt bereits an der atmenden Frau.“

Harte, intensive Sätze.

Die konzentrierten, verdichteten Textstellen sind schwer zu ertragen, sie rühren bei mir an tief verankerte Ängste!Auch die Passagen mit Gretas Verlobten in der Gegenwart, nach dem Erlaß des Frauenschuldengesetzes, triggern. 

Herzig benennt deutlich und kristallin den tief im Patriarchat verankerten Frauenhass, den auszuleben und auszusprechen, immer noch salonfähig ist. 

Die Männer wollen sich mit ihrem Gesetz die Kontrolle über die Frauen sichern. Warum?  

„Es ist einfach ein bisschen geil, Macht zu haben.“ 

Herzigs Roman ist düster. Dystopisch? Vielleicht. Doch zeigen sich nicht real in der Gesetzgebung der letzten Jahre diese Tendenzen? Das Unterhaltsrecht z.b. (in Deutschland) wurde zu Ungunsten des Care-Arbeit leistenden Teils, meist der Frau, reformiert, gleichzeitig aber nicht die Strukturen geschaffen, die eine gleichberechtigte Erwerbsarbeit ermöglichen. Im Gegenteil, hinter uns liegt ein Lock-down, der mich und meinen Glauben das Leistungsprinzip der Erwerbstätigkeit schwer erschüttert hat (wenn nicht zerstört hat).

Ja, Herzigs Roman hat mich aufgeregt und emotional mitgerissen. Ich bin geflasht von der sprachlichen Ausdruckskraft dieser Frau und dieses Romans! 

Und trotz meiner Wut macht mir der Text auch Mut. Ich bin nicht alleine und es gibt Solidarität! 

„Egal, was es kostet, das Frausein. Irgendwann kommen andere Zeiten, in denen das Geld bedeutungslos wird. Und was haben sie dann noch, die Männer?“

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Eine Antwort zu „12 Grad unter Null von Anna Herzig“

  1. […] “12 Grad unter Null” von Anna Franziska Herzig hat mich kein Roman mehr so furchtbar wütend […]