Dass ich „Blinde Geister“ von Lina Schwenk lesen wollte, hat tatsächlich mit seiner Nominierung für den Deutschen Buchpreis zu tun. Auf der Frankfurter Buchmesse konnte ich die Autorin bei einem Gespräch mit der FAZ erleben. Und als Schwenk über die Geschichte dieser beiden Mädchen sprach, die sich im Schrank verstecken, weil die ganze Familie mit der Kriegstraumatisierung des Vaters umgehen muss, wusste ich, dass ich den Roman unbedingt lesen will.
„Blinde Geister“ ist ein wirklich sensibel und weitumfassend erzählter Roman, der etwas abbildet, das noch lange nach dem Krieg in vielen Familien nachwirkte. Das erlebte Grauen in den Bombenkellern und Schützengräben hat sich tief eingegraben und wurde durch die aufkommende heile Scheinwelt des 50er-Jahre-Wirtschaftswunders nur unzureichend und oberflächlich durch Konsum und neuen Wohlstand überdeckt.
Traumata leben wie Geister in den Familien weiter
Die Traumata blieben oft unausgesprochen und unverarbeitet verborgen, prägten aber die Familien der Betroffenen bis in die nächsten Generationen.
In so einer Familie wächst die kleine Olivia, die Ich-Erzählerin von Schwenks Debütroman, nach dem Krieg auf. Die Spuren der Nazizeit sind noch in der Gesellschaft spürbar, genauso wie die Entbehrungen und Schrecken der Kriegsjahre.
Doch in Olivias Familie wird nie wirklich darüber gesprochen, warum sie immer wieder Zeit im Keller des Hauses verbringt. Eine große Sprachlosigkeit und die emotionale Not schafft Distanz zwischen den einzelnen Familienmitglieder.
Schwenk erzählt sehr gekonnt gerafft über große Zeiträume und ich erlebe, wie Olivia erwachsen und selbst Mutter wird, den langsamen und gemeinsamen Tod der Eltern, der gleich in der Eingangszene so wirkungsvoll geschildert wird. Sie erzählt von den psychischen Problemen der Erzählerin und ihrem allmählichen Verstehen als Erwachsene von der Nöte der Eltern. Vor allem die ihrer Mutter, die zwischen der Liebe zum Ehemann und seinen Bedürfnissen und denen der Kinder zerrißen wurde.
Gerade im Hinblick darauf, dass wir auch heute in meiner Generation mit den Nachwirkungen der (Nach-) Kriegserfahrungen unserer Eltern und Großeltern in Berührung kommen, finde ich es großartig, dass Schwenk den Bogen bis ins heute spannt und darauf hinweist, dass es auch heute noch immer Krieg gibt.
Ein großartiges Debüt, das Lust auf mehr Literatur von Lina Schwenk macht!
Vielen lieben Dank an den an C.H.Beck Literatur für das schöne Rezensionsexemplar. Danke und weiterhin viel Erfolg an Lina Schwenk für ihren Roman!





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