Der Roman „Andromeda“ passt gerade wunderbar in meine aktuelle Gedankenwelt, die noch sehr mit Eindrücken der Frankfurter Buchmesse erfüllt ist. Die Verlagsbranche ist mir fremd, aber die Messe und die Gespräche, die ich dort führte, gaben mir einen minikleinen, sicher oberflächlichen, Eindruck.
„Andromeda“ passt perfekt, weil darin die Literatur und ein renommierter Stockholmer Verlag eine große Rolle spielen.
Doch ich würde auch sagen, dass viele der behandelten Themen sehr universell sind und auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen werden können.
Bohmans Ich-Erzählerin Sofie hat aus eigener Kraft einen Praktikumsplatz in einem der renommiertesten Verlagshäuser Stockholms erkämpft. Da die junge Studentin nicht aus einem besonders bildungsaffinen Elternhaus kommt und über keinerlei Kontakte verfügt, ist eine Karriere in dieser vernetzten und elitären Branche schwierig.
Der ältere Programleiter Gunnar wird auf die zurückhaltende und integre Praktikantin aufmerksam und erkennt ihr literarisches Gespür und ihren Instinkt für gute Romane. Gunnar kommt genauso wie Sofie aus einfachen Verhältnissen und beide wurden durch ihre Liebe zur Literatur in die Branche und in das Verlagshaus gespült.
Gunnar fördert Sofie, er wird ihr Mentor und beschleunigt durch sein Protektorat ihren Aufstieg innerhalb des Verlags. Gemeinsam arbeiten sie der Buchreihe „Andromeda“, das intellektuelle Aushängeschild des Verlags, unter dem anspruchsvolle Literaturtitel veröffentlicht werden.
Doch auch die Buchbranche ist Veränderungen unterworfen und muss sich dem Zeitgeist und dem Markt anpassen.
Muss sich gute Literatur auch verkaufen?
Und Gunnar ist alt und wird nicht ewig leben. Kann und will Sofie ihr gemeinsames Werk weiterführen? Kann sie sich innerhalb des Verlags alleine gegen die wirtschaftliche Interessen und für wertvolle Literatur einsetzten?
Es ist ein wahnsinnig breit und zeitlos aufgefächertes Themenfeld, das Bohman in ihrem ruhig erzählten Roman „Andromeda“ bearbeitet.
Die Beziehung zwischen Gunnar und Sofie ist oberflächlich betrachtet zwar rein beruflich und doch beeinflusst sie sie beide nachhaltig bis in ihr Privatleben. Vor allem Gunnar prägt Sofies Denkweise und Lebenseinstellung. Bohman beschreibt diese Verbindung äußerst nuanciert und lässt viel Platz für Zwischentöne und meine eigenen Gedanken dazu. Es wäre zu platt, hier eine Geschichte über Machtgefälle herauszulesen. Es geht viel mehr darum, dass sich hier zwei Menschen erkennen, unabhängig vom Geschlecht und vom Alter. Und die Frage: kann eine Beziehung ganz frei von diesen Faktoren sein?
Gibt es eine Beziehung auf Augenhöhe?
Auch das Thema Klasse spielt in „Andromeda“ immer wieder eine Rolle:
“Alle wollten spüren, dass sie aus eigener Kraft erreicht hatten, was sie hatten erreichen wollen, dass sie endlich besaßen, was sie meinten, verdient zu haben.”
Über all dem liegt eine melancholische Stimmung und eine der Grundfragen der Menschheit: ist die Angst vor Veränderung und Neuem nicht eigentlich die Angst sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen?
Bohman bringt mich zum Nachdenken. Vor allem der zweiten Teil, der eine andere Perspektive beschreibt, die ich jetzt nicht vorweg nehmen möchte, gibt Einblicke in eine mir unbekannte Denkweise und berührt mich mit ihrem Ende.
Stellenweise reibt sich Bohmans Text auch mit meinen eigenen Ansichten über Literatur und das Leben. Das ist teilweise kalkuliert und sehr raffiniert gemacht. Es gibt dem Roman eine Tiefe, die hängen bleibt.
Ein sehr lesenswerter und interessanter Roman und eine vielschichtige Autorin, von der ich gerne noch mehr lesen will.
Ein großes Dankeschön an den Europa Verlag und Buch Contact für das Rezensionsexemplar und natürlich an Therese Bohman für diesen Roman!
Aus dem Schwedischen von Ricarda Essrich
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