„Das Wesen des Lebens“ wurde in Finnland zu einem großen Überraschungserfolg und wird derzeit in über 20 Sprachen übersetzt, unter anderem ins Deutsche! Und das ist ein großes Glück, denn auch mir gefiel der erste Roman der Wissenschaftlerin und Schriftstellerin wirklich ausgesprochen gut!
Es ist einer dieser seltenen Romane, die bei mir dieses gänsehauterzeugende Gefühl von grandioser Universalität verursachen, die losgelöst vom Zeitgeist ist. Die mir eine kleine Ahnung vom großen Ganzen schenken.
Das liegt auch daran, dass die Handlung des Romans mehrere Jahrhunderte umspannt und auf verschiedenen Kontinenten spielt, beginnend 1741 mit der Großen Nordischen Expedition im Nordmeer, an der der deutsche Arzt und Naturwissenschaftler Georg Wilhelm Steller teilnimmt. Dort entdeckt und beschreibt er die nach ihm benannte und später ausgestorbene, riesige Seekuh zum ersten Mal.
Dieser erste Teil liest sich wie eine Abenteuergeschichte und trifft so zu 100% meinen Lesegeschmack.
Das Schicksal und die Geschichte der Stellerschen Seekuh, beziehungsweise ihres Vermächtnis, zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und durch die Jahrzehnte.
Abenteuergeschichte und Gesellschaftsroman
Turpeinen zeigt nicht nur anhand des Verschwinden der friedlichen Seekuh, wie der Mensch in seiner Gier zerstörerisch in die Natur eingreift, sondern auch am Beispiel vieler anderer Tierarten. Es fällt mir besonders auf, dass Turpeinen nicht den Weg einer betroffenen und plakativen Anklage geht, sondern vielmehr die enge Verbindung und das komplexe Wechselspiel von Mensch und Natur im Wandel der Zeit herausarbeitet.
Selbst unbedeutend erscheinende Freizeitbeschäftigungen wie beispielsweise das lange als beliebtes Hobby betrachtete Sammeln von seltenen und bunten Vogeleier können ganze Bestände dezimieren oder ausrotten. Noch wesentlich größere Auswirkungen auf das sensible Gleichgewicht unserer Erde haben Kolonialismus, Bevölkerungswachstum und technische Entwicklungen.
Turpeinen beschreibt aber auch wie sich die theoretischen Ansätze und praktischen Techniken in der Dokumentation und Vermittlung von naturwissenschaftlichen Informationen geändert haben und sich immer weiterentwickeln.
Ich mag die von Turpeinen entworfenen Figuren, die auf echten historischen Persönlichkeiten und Recherchen beruhen, unheimlich gerne. Sie fügt den bekannten Daten einen fiktiven Charakter hinzu, der von einem hoffnungsvollen und philanthropischen Menschenbild zeugt, trotz des unleugbaren und unveränderlichen Zerstörungswillen der Menschen im allgemeinen. Das tut mir gut und hilft gegen meinen Zynismus.
Ich würde wirklich sagen „Das Wesen des Lebens“ war ein echtes zeitloses Highlight für mich, das in mir den Wunsch geweckt hat, bald wieder eines der größeren naturhistorischen Museen in meinem weiteren Umfeld zu besuchen.
Vielen lieben Dank an den S. Fischer Verlag für das wunderbare und gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Iida Turpeinen für den Roman!
Auch als Hörbuch ein absolut empfehlenswerter Genuss, perfekt produziert vom Argon Verlag und wundervoll gesprochen von der Schauspielerin und Sprecherin Heike Warmuth. Danke an den Verlag und NetGalley für das digitale Hörexemplar.
Aus dem Finnischen übersetzt von Maximilian Murmann
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