delulu von Julia Friese

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Delulu Julia Friese Rezension

Nach ein paar Seiten habe ich aber schnell gemerkt: „delulu“ ist …anders. Und zwar derart anders, dass ich den Roman nach der ersten Hälfte erst mal zur Seite gelegt habe.

Jetzt habe ich nach Monaten den zweiten Anlauf genommen und den Roman in einem Rutsch noch mal von vorne durchgelesen.

Wobei „lesen“ trifft es nicht ganz. „delulu“ ist ein Erlebnis, ein Fiebertraum, eine Wahnvorstellung, eine Halluzination.

Vielleicht passt der Satz: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei. Denn genau das passiert Frieses Figur Res als sie mit nassen Fingern in die Steckdose fasst und unter Strom gesetzt wird.

Der ganze Roman ist wie ein Neuronenflackern in Res’ Gehirn – wild schießen Szenen und Erinnerungsfetzen durcheinander, es ist natürlich nicht mehr klar, was jetzt eigentlich wirklich passiert, was ist real, was ist Vergangenheit, was ist Halluzination ist und nicht einmal wer überhaupt die erzählende Person ist.

“Ängste in fettgelbe Salze gelöst, strahlen, warten neben Schalen von Frühstücksflocken an so hartem Toast und gelber Marmelade, die sich allesamt nach Kaffeesäure sehnen, um aus den Speiseröhren geätzt, sich, im Magen Blasen werfend, um sich selbst drehen zu können, bis sie der schwer verdauliche Spiritus geworden sind, aus dem die Menschen ihre Lebensenergie ziehen, die sie nachts ungenutzt in Panik wieder verschwitzen.”

Meistens verstehe ich nur Bahnhof. 

Bin ich „delulu“?

Der ganze Roman ist als riesengroße Assoziationskette konzipiert, mit einem Dauerfeuer aus Referenzen der Nuller Jahre. Von Fruit Loops, Britney Spears bis hin zu MTV, Fanta und Tennis ist alles dabei. Auch hier komme ich nicht mit, weil ich ja noch nie in meinem Leben cool war oder irgendwas was von Popkultur verstehe.

Was ich verstehe ist, dass bei Friese alles komplett „delulu“ ist: hinter der Leistungsgesellschaft steckt nur Leere, hinter schillernden Schein die Angst vor dem Unbedeutendsein, das Ich ist ein Produkt, grell zur Vermarktung ausgeleuchtet. Oder so ähnlich. Wie gesagt: Bahnhof.

„Aber kein Bedauern 

und keine Angst.

Wenn einem das Volumen entzogen ist, kann man

Gefühlen keine Angriffsfläche mehr bieten.

Dann sind da nur noch Farben.

Flächen.

Blau.

Grau.“

Sprachlich ist „delulu“ natürlich literarisch deluxe. Friese hat schon in „MTTR“ angedeutet, dass sie die fragmentarische Erzählform beherrscht und schöpft in „delulu“ aus dem Vollen. Ihr Stil erzeugt beim Durchleben des Romans ein Gefühl von hastigen Schnittsequenzen, die nahtlos und assoziativ in die nächste surreale Szene springen. Oder wie die Kurzbeschreibung sagt: „ein halluzinogener Rausch“.

Für mich war „delulu“ ein Blick jenseits des Horizonts des stringenten Erzählens und auf keinen Fall ein bequemes Leseerlebnis.

  • Julia Friese
  • Delulu Julia Friese Klappentext

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