Der Roman „Die bestmögliche Vermutung“ und ich waren kein Match. Leider.
Ich habe nämlich so gut wie gar nichts verstanden, das kommt jetzt nicht so oft vor. Das letzte Mal von bei der Lektüre von „delulu“ von Julia Friese, das ich dann erst mal bis auf weiteres abgebrochen habe.
Aber „delulu“ hat wenigstens stilistisch noch ein bisschen Spaß gemacht.
Natürlich werde jetzt trotzdem ein paar bestmögliche Vermutungen anstellen, was Manuel Gübeli mit seinem Roman sagen möchte.
Der Roman ist aus zwei Perspektiven erzählt. In den einen Kapiteln erzählt „Er“ aus der Ich-Perspektive, in den anderen Kapitel geht es um Elena aus der personalen Sicht.
Die beiden sind verliebt und vielleicht ein Paar und haben viel Sex.
Okay, nein so geht das nicht.
Alles was ich über die Handlung schreiben könnte, klingt einfach viel zu trivial. In diesem Roman ist nämlich alles Meta. Also vermute ich.
Und da bin ich schon voll beim Thema:
„Unsere Wahrnehmung ist schlussendlich nichts anderes als einfach die beste Vermutung unseres Hirns, was da draußen gerade passiert.“
Ich vermute, dass Elena an einem Projekt arbeitet, bei dem sie alles durch etwas völlig identisches ersetzt. Zumindest die äußere Hülle. Damit sollen die Grenzen der Wahrnehmung ausgelotet werden oder so genau habe ich das nicht verstanden.
Diese ganze Plotline funktioniert für mich einfach so gar nicht. Vor allem in der praktischen Umsetzung des Projekts, da bin ich als Bauingenieurin einfach zu sehr an die profane Realität der Machbarkeit gebunden und kann mich nicht davon lösen.
Ich habe die ganze Zeit beim Lesen ein unbehagliches Gefühl. Besonders die Passagen, in denen „Er“ mit seinen Eltern abrechnet und versucht sich von ihnen zu befreien, lesen sich sehr unangenehm. „Er“ ist ein Typ, der eigentlich richtig große Angst hat und deswegen komplett auf seine Freundin projeziert.
Im imaginierten Zwiegespräch mit seiner Mutter wird dann auch ein bißchen klar warum. Oder vielleicht sind wir auch alle einfach lost angesichts der Herausforderungen unserer Zeit.
Elena bleibt mir ein komplettes Rätsel und ihren philosophischen Exkursen kann ich nicht folgen oder teilen. Wie gesagt, I‘m too grounded.
Der Schluss ist dann schon etwas abgefahren, um nicht zu sagen ziemlich genial, und passt folgerichtig zum Grundthema des Romans.
„Genau genommen halluzinieren wir die ganze Zeit. Und wenn unsere Halluzinationen übereinstimmen, dann nennen wir es Realität.“
Allerdings hatte ich erfahrene Leserin schon so eine Ahnung, auf was das Ganze hinausläuft, deswegen kann auch der wirklich sehr gut gemachte Schluss den Roman für mich nicht mehr upgraden.
Ich könnte aber mir schon sehr gut vorstellen, dass Leser*innen, die sich gerne auf abstraktere Denkprozesse einlassen, wesentlich mehr Freude an dem Roman finden werden, als ich. Auch wenn du Spaß an Gedankenexperimenten hast, könnte „Die bestmögliche Vermutung“ ein Roman für dich sein.
Vielen lieben Dank an den unabhängigen Schweizer Aris Verlag und an Kirchner Kommunikation für das schöne Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Manuel Gübeli für den Roman!
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