In dem Buch „Für immer seh ich dich wieder“ verarbeitet der Schriftsteller Yannic Han Biao Federer den Tod seines ungeborenen Sohnes Gustav Tian Ming. Notwendigerweise werde ich auch in meiner Rezension darauf eingehen. Das solltest du vielleicht wissen, bevor du dich entscheidest weiterzulesen.
Der kleine Gustav Tian Ming starb kurz vor seiner Geburt an einer seltenen und nicht voraussehbaren Komplikation im Bauch seiner Mutter Charlotte. Sein Vater Yannic Han Biao Federer beginnt sein autobiografischen Buch „Für immer seh ich dich wieder“ direkt mit der schrecklichen Fahrt ins Krankenhaus, während der Charlotte bereits das Furchtbare ahnt, was sich in der Gynäkologie dann bestätigt.
“Mein Sohn ist tot. Mein armer, kleiner Sohn ist tot. Wie kann das sein. Wie kann das sein. Es ist so unfair. Es ist so falsch. Das kann doch nicht sein. Darf doch nicht sein.”
Es sind wirklich unendlich traurige und emotionale Szenen, die sich dann im Krankenhaus abspielen und an denen mich Yannic Han Biao Federer mit vielen Details hautnah teilhaben lässt. Als Elternteil mit eigenen Erfahrungen in Krankenhäusern lesen sich die Abläufe und die kleinen Details, die Federer beschreibt, beispielsweise die Auswahl des Brotaufstrichs, vertraut. Nur kontrastieren sie hier in ihrer Banalität mit dem maximal schlimmst möglichen Ausgang: dem Verlust des eigenen Kindes.
Nach Gustavs Tod wird das Paar, das von der Intensität der Trauer und der ganzen Situation emotional völlig überfordert ist, auch noch mit bürokratischen Entscheidungen konfrontiert und überrollt.
Auch die Benachrichtigung des nahen und weiteren Umfelds, die alle auf die freudige Nachricht der Geburt warten, kostet ungeheuer viel Kraft. Alles muss nach Gustavs Tod neu organisiert und anders geplant werden, als eigentlich vorgesehen. Auch das ist zusätzlich schmerzhaft.
Trauer und Tod – ein Tabu in unserem Zusammenleben?
Noch Monate nach Gustavs Tod muss das Paar bei entfernten Bekannten erklären, dass der Kleine jetzt nicht etwa schon zwei Monate alt ist, sondern das Privileg des Älterwerdens nie erleben wird.
Federers Buch zeigt deutlich, wie sehr unsere Gesellschaft den Tod, gerade bei Kindern, verdrängt und wie groß die Hilflosigkeit ist, wenn wir doch damit konfrontiert werden.
Nach und nach verarbeiten Yannic und Charlotte den Tod ihres Kindes. Sie reisen und reden viel, versuchen unterschiedliche Möglichkeiten der Trauerarbeit. Yannic hilft die schriftliche Aufarbeitung des Erlebten.
Das finde ich sehr interessant gemacht, denn seine Gedanken über die Form der literarischen Aufarbeitung ist gleichzeitig Teil des Buches und schafft gleichermaßen eine Distanz im Nachhinein sowie eine aktuelle Nähe zu den Gefühlen des Schriftstellers.
Wie Federer in seinem Buch und in einem Interview schreibt, sollte „Für immer seh ich dich wieder“ kein Buch werden, in dem der Tod des Kindes nur als eine Art Auslöser für die innere Reise der Protagonist:innen wird, in dem der Tod und das Kind selbst nur als kurzes Schlaglicht vor dem Ausblenden existieren. In seinem Buch, müssen wir, so wie im echten Leben, alles durchleben. Es gibt kein schnelles Überblenden in die Zeit danach, keinen gnädigen Cut.
Ich finde, das ist ihm gut gelungen. Gustav und sein Tod bekommen viel Raum und Platz, genauso wie die Trauer seiner Eltern und derer, die sich auf ihn gefreut hatten.
Vielen lieben Dank an den Suhrkamp Verlag für das wunderschöne Rezensionsexemplar.
Danke an und viel Erfolg an Yannic Han Biao Federer für dieses Buch!
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