Ja, meine Erwartungen an den Roman „Leute von früher“ waren hoch. Der Klappentext liest sich auch einfach unglaublich spannend.
Aber je mehr ich las, desto mehr Ernüchterung stellte sich ein und mich beschlich wieder der Verdacht, dass ich vielleicht zu alt und zu verhärtet für den Stoff bin.
Das erkenne ich daran, dass mein Verständnis für eine Ende 20-jährige, die Schwierigkeiten hat, sich einfachste Mahlzeiten, wie Bratkartoffeln, selbst zuzubereiten, begrenzt ist.
Natürlich hat Marlene, die Protagonistin in Höllers Roman, noch andere Issues als Bratkartoffeln, denn eigentlich weiß sie noch gar nicht, in welche Richtung ihr Leben gehen soll. Deswegen nimmt sie als Saisonarbeiterin in einer Art nordfriesischen Freilichtmuseum auf einer Insel im Wattenmeer an, auf der die Menschen leben wie früher.
Hauptsächlich geht es auf der Insel darum, unter dem Deckmäntelchen der historischen Authentizität Produkte und Dienstleistungen an die Tourist*innen zu bringen und so den Lebensunterhalt der Inselbewohner*innen zu sichern.
Ein Leben in vorgetäuschter Authentizität?
Marlene, der die Abgeschiedenheit der Insel in ihrer aktuellen Situation (mom issues, Love interest issues) ganz recht kommt, kommt in ihrem neuen Job als Verkäuferin gut zurecht und findet schnell neue Kontakte auf der Insel.
Und da ist auch noch Janne, die eine unglaubliche Faszination auf Marlene ausübt und in die sie vielleicht verliebt ist. Ich schreibe bewusst vielleicht, denn in Höllers Roman geht es viel um die Unsicherheiten der Liebe und des Lebens. Auch wenn Marlene das jugendliche Alter schon vor einer Weile verlassen hat, weiß sie noch nicht, wievielen und welchen Konventionen unserer Gesellschaft sie folgen will. Und welche Alternativen es gäbe.
Wie bereits erwähnt, finde ich diese Orientierungslosigkeit jetzt nicht so spannend oder nachvollziehbar aufbereitet und große Teile des Romans lesen sich für mich sehr zäh. Der ziemlich spektakuläre Schluss mit dem kleinen mystischen Twist gefällt mir dann wieder besser, auch wenn er mich auf Grund der wirklich vielen und deutlichen Anspielungen auf zu niedrige Deiche und versunkene Dörfer nicht überraschen kann.
Passenderweise konnte ich den Roman wirklich im Urlaub am Wattenmeer lesen, und hatte so die Salzwiesen, die Höller in ihrem Roman beschreibt, direkt vor Augen. Ich fand das Setting durchaus stimmungsvoll und auch die zarte Liebesgeschichte zwischen Janne und Marlene gefiel mir gut. Aber in meinen Augen nicht gut genug, um dir den Roman weiterzuempfehlen.
Nach “Schöner als überall” ist “Leute von früher” der zweite Roman von Kristin Höller, der beim Suhrkamp Verlag erschienen ist.
Schreibe einen Kommentar