Den neuen Roman „Mama & Sam“ von Sarah Kuttner möchte ich hier explizit als Hörbuch empfehlen. Vielleicht kennst du schon Kuttners Schreibstil und weißt vielleicht was ich meine, wenn ich sage, finde ihn schon ziemlich speziell. Kuttner schreibt oft mit einem besonderen Humor und in dem ihr eigenen Tonfall, der sich bei mir beim Lesen nicht so gut entfaltet.
Das Hörbuch wird jedoch von Kuttner selbst eingesprochen, eben genau in dem ihr so eigenen Tonfall, und das ist, wie ich finde, ein sehr großer Benefit.
Denn in „Mama & Sam“ schreibt Kuttner über ein sehr trauriges und schambehaftetes Thema. Die Mutter ihrer Ich-Erzählerin wurde tot in ihrer Wohnung gefunden. Davor stand die ältere Frau monatelang in Kontakt mit einem Love Scammer, der sich als Sam Heughan ausgab, einem Hollywood Schauspieler, der in der Serie Outlander die attraktive Hauptfigur verkörpert. Im Laufe dieser vermeintlichen Liebesbeziehung überweist die Mutter dem Scammer über 100 000 Euro (!!).
Kuttner berichtet in einem Gespräch mit der taz, dass der Roman zwar bewusst fiktional gestaltet wurde, aber dennoch große autobiografische Anteile beinhaltet. Die im Roman wiedergegebene Chatdialoge zwischen der Mutter und Sam stammen zum Teil original von Kuttners eigener Mutter, die letztes Jahr verstorben ist.
Wie krass offensichtlich und dennoch psychologisch raffiniert der Scam angelegt ist, regt mich über große Strecken des Romans genauso auf wie die Erzählerin. Wie kann die Mutter auf so etwas hereinfallen und dermaßen viel Geld an einen offensichtlichen Betrüger überweisen. Die Chatnachrichten, die im Laufe de Romans von der Erzählerin nach dem Tod der Mutter nachgelesen werden, geben Aufschluss. Und machen mich gleichzeitig sehr traurig. Sie zeigen eine einsame, ältere Frau, die einfach nur noch einmal geliebt werden wollte. Und dafür bereit war, die Augen vor der Logik zu verschließen und einen sehr hohen Preis dafür zu bezahlen.
Mama & Sam – eine Liebesgeschichte?
Kuttner erzählt in ihrem neuen Roman aber auch die Geschichte einer komplizierten Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Indem die Tochter die letzten Monate ihrer Mutter in Form der Chatnachrichten emotional nachspürt, kommt sie der Frau hinter ihrer Mutter noch einmal näher.
Nochmal möchte ich hier auf den ganz besonderen Erzählton Kuttners hinweisen, mit dem sie diese sehr schwere und traurige Geschichte erzählt. Kuttners Ton ist, genauso wie ihre Erzählerin, hundertprozentig pragmatisch und geerdet und gleichzeitig sehr verletztlich. Kuttner schafft es, sogar von den Schlägen, die sie als Kind von ihrer Mutter bezogen hat, mit einem bestimmten Humor zu erzählen. Ohne dass die Ernsthaftigkeit dahinter verloren geht. Das ist eine sehr große Kunstfertigkeit und/oder eine Gabe.
Fassungslos bin ich über die Skrupellosigkeit der Scammer, die einer verliebte und hilfsbereite Frau derart gnadenlos emotional unter Druck setzen, bis sie ihr mehrfach verschuldet das letztes Geld abgepresst haben. Und das, obwohl die über Monate in einer wie auch immer gearteten engen Beziehung miteinander standen und fast stündlich miteinander kommunizieren.
„Mama & Sam“ war für mich ein kleines Hörbuchhighlight, dem ich sehr gespannt gelauscht hatte und das ich dir unbedingt weiterempfehlen möchte.
Zusätzlich Kuttner selbst lesen Anna Thalbach und Julian „The Voice“ Horeyseck die Chatdialoge zwischen „Mama & Sam“. Wieder eine großartige Hörbuchproduktion des Argon Verlags.
Das Hardcover des Romans erschien gerade bei den S. Fischer Verlagen



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