„Das Buch, das ihr in den Händen haltet, ist im Prinzip eine Auftragsarbeit, eine Bestellung meiner Mutter. Ich habe nicht entschieden, es zu schreiben.“
So schreibt Louis auf den letzten Seiten und ich kann es mir nach dem Lesen gut vorstellen. Vor meinen Augen ist nämlich ein Bild von Monique entstanden. Fast kann ich sie vor mir sehen, die Frau, die jetzt lebendig und frei ist.
Dass das nicht immer so war, hat Louis bereits in seinem Roman „Die Freiheit einer Frau“ thematisiert und auch in „Monique bricht aus“ erzählt er davon, wie seine Mutter seinen Vater nach 20 Jahren Ehegefängniss vor die Tür setzt. Sie hat den Mann rausgeschmissen, der von ihr erwartete,
„dass sie
kochte
putzte
einkaufte
spülte
die Wäsche wusch
dass sie den Mund hielt, wenn er fernsah, sechs oder sieben Stunden am Tag, und wenn sie es nicht tat, rastete er aus“
Es scheint als wäre ein Neuanfang möglich, als Monique mit einem neuen Mann, frisch verliebt, nach Paris zieht, wo auch ihr Sohn, der Erzähler, wohnt und studiert.
„Sie wusste nicht, und auch ich konnte es noch nicht wissen, dass dieser Traum von kurzer Dauer sein würde.“
Und sie schafft es, sich nach Jahren auch aus dieser Beziehung zu befreien.
Du merkst es vielleicht schon an den Zitaten, dass Louis ein sehr konzentrierter Schreiber ist, der sehr verdichtet erzählt. Das ist auch gut so, denn so entfaltet sein Buch trotz seiner nur 160 Seiten eine große Kraft.
Klasse und Herkunft ist das große Thema in Louis Werken. Und die Frage nach der Klasse und den finanziellen Ressourcen stellt er auch in „Monique bricht aus“.
„Wie viele Menschen, wie viele Frauen würden ein anderes Leben wählen, wenn man ihnen das entsprechende Geld überwiese?“
Eine berechtigte Frage. Ich persönlich frage mich, ob der Lebensweg seiner Mutter, oder das Leben der Mutter seines Freundes Didier, die er erwähnt, nur an die Klassenfrage und an Geld geknüpft war? Welche Rolle spielen jahrelange internalisierte und gesellschaftlich institutionalisierte Misogynie? Wenn allein Klasse und Geld die ausschlaggebenden Faktoren wären, gäbe es nie eine wohlhabende Frau in einer missbräuchlichen und ausbeuterischen Beziehung. Ich glaube vielmehr, dass viele Frauen* nicht wirklich daran glauben ein besseres, selbstbestimmteres Leben verdient zu haben. Es ist die Grundprämisse einer patriarchalen und sexistischen Gesellschaft, dass sich der Wert einer Frau* nach dem Nutzen für Männer bemisst, was ihren Selbstwert untergräbt. Und das unabhängig vom finanziellen Milieu und der Gesellschaftsschicht. Aber zweifellos machen es fehlende wirtschaftliche Mittel und/oder ein entsprechendes Umfeld es ungleich schwerer, wenn nicht oft unmöglich, sich als Mensch zu emanzipieren und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
„Manche werden vom Leben getragen, für andere ist das Leben ein ständiger Kampf. Wer zur zweiten Kategorie gehört, ist müde.“
Ich habe von Louis bis jetzt „Anleitung ein anderer zu werden“ gelesen, dass ich gut fand, bei dem mich aber, genauso wie beispielsweise „Tage mit Martha“, der rein männliche Blickwinkel nicht wirklich abgeholt hatte. Bei vielen Szenen und Begegnungen dachte ich daran, dass sich die gleiche Situation für eine Frau* wahrscheinlich ganz anders entwickelt hätte.
Deswegen gefällt mir „Monique bricht aus“ mit dem Fokus auf eine weiblichen Biografie jetzt umso besser. Und der Ausgang des stark autofiktionalen Buches macht mir ungeheuer viel Freude und Hoffnung!
Vielen lieben Dank an den S.Fischer Verlag und Netgalley für das digitale Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Édouard Louis für den Roman!
Aus dem Französischen von: Sonja Finck

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