Spoiler: Am Ende brennt Oslo natürlich nicht. Der Romantitel „Nora oder Brenn Oslo Brenn“ ist metaphorisch gemeint.
„Nora“ ist der im Original bereits 2018 erschienene und preisgekrönte Debütroman der schwedischen Schriftstellerin, der jetzt ganz fresh auf Deutsch beim Secession Verlag erschienen ist.
Nora ist überraschenderweise nicht die Protagonistin des Romans, sondern die Schwedin Johanna. Ich erwähne die Nationalität extra deswegen, weil nationale Identitäten in der Geschichte eine große Rolle spielt. Johannas Freund Emil ist Däne und die titelgebende Nora ist Emils Exfreundin und wohnt in Norwegen, genauer gesagt in Oslo. Ja, das ist verwirrend, vor allem weil ich wenig Vorwissen habe, welche Animositäten es zwischen diesen skandinavischen Nation gibt und warum.
Ich vermute, es ist kompliziert.
Weniger kompliziert ist, warum die Erzählerin Johanna Nora gleichermaßen hasst wie obsessiv bewundert. Sie hat Angst dass ihr boyfriend Emil immer noch in seine perfekte und sexy Exfreundin verliebt ist und er jeden Moment wieder zu ihr zurückwill.
Johanna hat starke Selbstwertprobleme und das Gefühl mit dem in einer intakten Bilderbuchfamilie großgewordenen Emil nicht mithalten zu können.
„Was soll jemand, der nichts hat, jemandem geben, der alles hat?“
Zusätzlich zu diesem Liebesschmerzen im Herzen kommen starke Menstruationsschmerzen im Unterleib. Johanna hat seit der Pubertät starke Endometriose. Es brennt in Körper und Geist.
Sie sucht Hilfe bei Frauen, die über ähnliche Erfahrungen schreiben, wie Megan Nolan, Lena Dunham und Hilary Mantel.
„Ich hatte gedacht, Wissen wäre Macht und Wissen wäre Trost, aber nach all der Lektüre fühlte ich mich genauso ratlos und einsam wie zuvor. Das Wissen machte es nicht leichter, aufzustehen und einkaufen zu gehen, das Wissen führte nicht dazu, dass ich mich weniger isoliert fühlte.“
Johanna fängt an Nora und ihre Familie online obsessive zu stalken. Sie vergleicht permanent deren perfekten Instagram Lifestyle mit ihrem eigenen Leben, in dem sie sich ungenügend findet.
Social Media als Brandbeschleuniger für Unzufriedenheit?
Johanna schreibt viel über ihre Gedanken und ihr inneres Erleben, die starke autofiktionale Komponente ist offensichtlich. Der Roman ist deshalb wenig plotgesteuert, sondern hat vielmehr den Charakter eines Essays.
Ich finde in Johanna eine „unhinged woman“, die mit den vielen Herausforderungen einer komplexen Welt und ihrem schmerzenden weiblichen Körper struggelt. Gerade für das Thema der weiblichen Identität in Verbindung mit der potentiellen Gebärfunktion und der Endometriose habe ich mich sehr interessiert. Das hätte ich gerne noch weiterführend ausgearbeitet gelesen. Dagegen konnte mich die Betonung der länderspezifische Eigenheiten von Norwegen, Schweden und Dänemark, beispielsweise in Essen, Sprache und Mentalität, weniger abholen.
Ich mochte den teilweise derben und ungeschliffenen kantigen Stil Frids sehr gerne. Mir gefällt es, wenn die Figuren nicht glattgebürstet sind, sondern ihre Bruchstellen und Widersprüche haben. Und ich würde mir auch Frids zweiten Roman „Haralds Mamma“ holen, falls er auf Deutsch erscheint.
Authentisch aus dem Schwedischen übersetzt und mit vielen hilfreichen und ergänzenden Fußnoten versehen von Johannes Queck.
Für diese Leseerfahrung und für das Rezensionsexemplar von „Nora oder brenn Oslo brenn“ mit dem wunderschönen glänzenden Cover bedanke ich mich beim Secession Verlag. Danke und viel Erfolg an Johanna Frid für den Roman!
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