Als ich die Rezensionen des Buches „Reverse Cowgirl“ von McKenzie Wark im Feed meiner Bookstagram Freund*innen gelesen hatte, war ich so interessiert, dass ich es mir gleich bestellt hatte.
Bis ich dazu kam, es zu lesen, hat es jetzt doch ein bisschen gedauert.
Warks Text beginnt mit einer Gebrauchsanweisung wie das Buch penetriert werden könnte, der ich nicht nachgekommen bin. Mich hat aber der Hinweis, den Hardcovereinband vorher zu entfernen, zum Grinsen gebracht.
Und Penetration kommt in Reverse Cowgirls schon mal penetrant vor, es wird aber überwiegend das Verb fi**en verwendet.
Hauptsächlich anal. Wenn dir das jetzt schon to deep ist, dann ist das Buch auf keinen Fall was für dich, denn Wark wird …plastisch.
„Reverse Cowgirl ergab für mich letztendlich Sinn als eine Art autofiktionaler Bericht von einer Person, die die ganze Zeit trans war und es noch nicht wusste. In diesem Fall kannte nicht einmal die Autorin die Gestalt des Netzes, das sie webte.“
In kurzen Kapiteln erzählt Wark von ihren (sexuellen) Beziehungen und Begegnungen, durchstreift schlaglichtartig die 70er, 80er und 90er in Sidney. Wark lebt in diesen Jahrzehnten als schwuler Mann, hat aber auch Beziehungen und Sex mit Frauen.
Für Wark ist das Finden ihrer Geschlechtsidentität ein längerer Prozess, an dem sich mich in „Reverse Cowgirl“ teilhaben läßt. In den kurzen Momenten, in denen Wark die vollkommene sexuellen Ekstase erlebt, werden die Gendergrenzen überwunden.
Sex als Gestaltwandler
Wark beschreibt, wie ihre Entscheidung zur Transition nicht von der Erfahrung der Geschlechtsdysphorie, die bereits in der Kindheit auftreten kann, sondern durch die Geschlechtseuphorie, ausgelöst von Sex, angeregt wurde.
„Manchmal ist die schiere Schönheit des gefickten Körpers überwältigend. Ich will so sehr in diesem Körper sein, in dem mein Schwanz ist. Ich will fühlen, wie ihm seine eigenen Grenzen erlebbar werden, seine Verwandlung in reine Oberfläche und Nerven.“
Wark sagt selbst in den Anmerkungen, wie individuell und unterschiedlich der Weg zur Transition sein kann und wie sehr ihre Geschichte mit den standardmäßigen Transnarrativen bricht.
Warks Kapitel mit der Kritik an der intellektuellen, liberalen Mäzen- und Künstler*innen Bubble aus dieser Zeit erinnern mich sehr an das, was Evan Tepest auch in „Power Bottom“ beschreibt. Mit beiläufiger, aber scharfer Beobachtungsgabe analysiert Wark ihr gesellschaftliches Umfeld. Der Schwule als nettes Beiwerk und Bestätigung der eigenen Subversion und Unkonventionalität.
„Sie wollten sich selbst dazu beglückwünschen, unbekümmerten Umgang mit Den Schwulen zu pflegen.“
„Reverse Cowgirl“ war für mich definitiv eine ungewöhnliche und horizonterweiternde Lektüre, die mich bereichert hat.
Ich bewundere Warks Mut und schriftstellerisches Können, so derart explizit und radikal tabulos über sich selbst und über Sex und Gender zu schreiben.
„Reverse Cowgirl“ erschien auf deutsch 2023 beim August Verlag (Matthes und Seitz Berlin)
Übersetzung: Johanna Davids
Schreibe einen Kommentar