Kunst als Stütze der Macht – Die Geschichte der Diven des NS-Kinos von Evelyn Steinthaler |Rezension
Schon mit der Romanbiografie über Dorothea Neff („Queere Heldin unterm Hakenkreuz“ von Jürgen Pettinger) bekam ich einen kleinen Einblick in das Leben einer Schauspielerin während des NS-Regimes.
Einen Einblick der ganz anderen Art gibt „Schau nicht hin“. Denn während Neff damit beschäftigt war, ihre jüdische Freundin in Wien jahrelang zu verstecken und unter dem politischen Radar zu bleiben, hatten einige Schauspieler*innen teilweise kein Problem damit, in großen deutschen Nazi-Produktionen mitzuspielen und sich dem System anzudienen.
An den Lebens- und Karriereverläufen von Lída Baarová, Zarah Leander, Marika Rökk und Kristina Söderbaum zeigt Steinthaler beispielhaft, wie die Schauspielerinnen von der entjudeten Filmbranche profitieren konnten und das deutsche Propagandasystem wiederum vom Glamour und der Überzeugungskraft seiner Stars.
Mich erschreckte an der Beschreibung der Karriereverläufe vor allem die Tatsache, wie nahtlos und uneingeschränkt die Karrieren vieler Schauspieler*innen in der Nachkriegszeit weiter verliefen. Wie wenig reflektiert die Schauspieler*innen und die Öffentlichkeit mit deren Rolle und vielleicht auch Schuld umgegangen ist. Dabei zeigt Steinthaler deutlich, dass die Beteiligung am System der Nazis keineswegs unter Zwang oder Unwissenheit stattfand , wie später gerne behauptet wurde.
Gefeiert, gefallen, verehrt.
Außerdem ist es bedenkenswert, wie nachhaltig das filmisch festgehaltene Gedankengut und Wertesystem der Nazis auch nach dem Krieg über die Bildschirme unzensiert und unreflektiert weiterwirken konnte.
Hier möchte ich, genauso wie Steinthaler, besonders das vermittelte Rollenbild der aufopferungsvollen und selbstlosen deutschen Frau und Mutter vieler Filme heraus streichen, das gefühlt auch heute noch in vielen Köpfen Nachhall findet.
Die einzelnen Porträts der herausgegriffenen Schauspielerinnen fielen mir persönlich fast ein wenig zu knapp aus, luden mich aber zur weiteren eigenen Recherchere und Bildersuche ein.
Am besten gefiel mir das abschließende Kapitel mit dem Titel „Kunst als Stütze der Macht?“, in dem Steinthaler zusammenfassend über die Zusammenhänge totalitärer Regime und ihre Legitimation durch die Kunst schreibt. Steinthaler geht hier auch auf die Machbarkeit von politischer Neutralität von Künstler*innen ein und nimmt Bezug auf die Verbindung zwischen Politik und Kunst in unserer heutigen Zeit. Auch hier kann die Kürze des Kapitels nur einen kleinen Einstieg in dieses hochinteressante und aktuelle Thema bieten.
Für mich war „Schau nicht hin“ ein informativer Denkanstoß und eine Anregung mich weiter kritisch mit politischen Aussagen und Auftritten von Kunst-und Kulturschaffenden zu beschäftigen. Aber auch mit dem Ausbleiben und der Wirkung von öffentlicher Positionierung.
Ein großes Dankeschön an Kremayr & Scheriau und Buch Contact für das Rezensionsexemplar und Evelyn Steinthaler für ihre Arbeit!
Schreibe einen Kommentar