SCHEIDUNG von Moa Herngren

Geschrieben von:

Scheidung Moa Herngren

„Scheidung“ war wirklich ein formidabler Schmöker und hat sich sehr schön lesen lassen. Der Blurb des Book of the Year Award „Nuanciert, menschlich und fesselnd werden alle Fallstricke einer Beziehung offengelegt“ ist in meinen Augen aber übertrieben.

Vielmehr erzählt die schwedische Autorin Moa Herngren in „Scheidung“ eine ganz klassische Geschichte, die für mich inhaltlich etwas altbacken daher kommt.

Bea und Niklas sind seit 32 Jahren glücklich verheiratet und zwei mittlerweile 16-jährige Töchter machen das Familienglück komplett. Die größten Probleme der beiden sind vermeintlich nur kleine Alltagsdiskussionen, bis Niklas eines Abends nach einem banalem Streit nicht mehr nach Hause kommt und die Trennung einläutet. 

In den lange geplanten Sommerurlaub fahren Bea und ihre Töchter dann alleine.

Zeitlos oder veraltet?

Ich lese vor allem aus der Perspektive von Bea, die durch den Trennungswunsch ihres Mannes aus allen Wolken fällt. Später kommt auch Niklas zu Wort und es wird klar, was eigentlich schon offensichtlich ist, dass er in der Ehe schon länger unzufrieden ist und auch sonst noch einige Konflikte schwelen.

Der Aufbau mit den zwei Perspektiven gefällt mir sehr gut, wobei ich mich natürlich hauptsächlich mit Bea identifiziere. 

Der Konflickt enzündet sich an einer von Bea lange gewünschten und enorm teuren Designerküche (!??!), die sie sich eigentlich nicht leisten können. 

Allerdings hat Niklas Bea seine finanziellen Sorgen und seine berufliche und familiäre Unzufriedenheit verschwiegen, bis er es irgendwann nicht mehr ausgehalten hat.

Liebe ist zu dem Zeitpunkt auf seiner Seite keine mehr vorhanden. Herngren deutet subtil an, dass die Ehe vielleicht nie wirklich auf großer Liebe, sondern auf Pragmatismus gebaut war.

Wer ist für deine Bedürfnisse verantwortlich?

Dieses ganze konventionelle Narrative einer Ehe und ihr Auseinanderbrechen ärgert mich aus feministischer Hinsicht. Der Roman möchte, so glaube ich, für beide, Beas und Niklas Seite, Verständnis wecken. Ich sehe aber in Bea eine Frau, die ihre Bedürfnisse erkennt und einfordert, während Niklas genau das jahrelang nicht getan hat und es letztendlich seiner Frau vorwirft. Umso ärgerlicher, dass er erst mit Hilfe einer neuen, anderen Frau in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu erkennen.

Hier hat mir ein tieferer Einblick in die psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründe dieser Verhaltensmuster gefehlt. 

Außerdem ist Bea die wirtschaftliche und emotionale Verliererin auf ganzer Ebene, was leider für Frauen* nach einer Trennung oft traurige Realität ist, aber für Herngren kein Grund, es als strukturellen Misstand zu benennen.

Wenn ich diese kritischen Aspekte beseite lasse, ist „Scheidung“ auf Grund seines spannenden Aufbaus ein flott zu lesender, unterhaltsamer Roman, der auf die einen oder andere Weise doch zum Nachdenken anregt. Zum Schluss baut Herngren noch einige Dramatisierungen ein, die ich persönlich nicht gebraucht hätte, aber natürlich nochmal das Tempo steigern.

Für mich war „Scheidung“ in gewisser Weise unbefriedigend, aber dennoch keinesfalls verlorene Zeit!

  • Moa Herngren
  • Scheidung Moa Herngren Klappentext

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert