Schneckenkönigin von Sabine Schönfellner

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Schneckenkönigin Sabine Schönfellner Rezension

„Schneckenkönigin“ ist all das nicht, und hat mit seiner nicht linearen Erzählstruktur, die gleichermaßen gewunden ist wie ein Schneckenhaus, für mich seinen ganz eigenen Zauber. 

In ihrem zweiten Roman nähert sich die Wiener Autorin, Texterin und Lektorin ganz behutsam dem besonderen Leben ihrer Protagonistin an.

Klara ist schon als Kind anders als ihre Schwester Lotte. Während Lotte robust und widerstandsfähig ist, gilt Klara als anfällig und wenig belastbar.

Später als junge Frau leidet sie immer wieder unter Schwindelanfällen, Schmerzen und starker Erschöpfung. So stark, dass ihr phasenweise die Bewältigung des Alltags nicht mehr gelingt. Dann ist sie phasenweise wieder völlig symptomfrei.

Besuche bei Ärzt*innen und im Krankenhaus bleiben ergebnislos, es wird keine Ursache für Klaras Beeinträchtigungen gefunden. Und wie so oft, wenn keine offensichtliche Ursache gefunden wird, gehen die Ärzt*innen von einer psychosomatischen Erkrankung aus. 

Schönfellner beschreibt hier sehr subtil, wie Medical Gaslighting aussehen kann. 

Auch Klaras Familie und Freund*innen sind angesichts einer fehlenden Diagnose irgendwann ratlos und drängen die junge Frau zu einer intensiveren Ursachenabklärung.

“Es ging also offenbar darum, dass sie sich nur ehrlich damit auseinandersetzen müsste, wie es ihr wirklich ging, dann würde alles besser werden. Ging ihre Mutter davon aus, dass sie sich ihre Krankheit nur einbildete, dass sie krank sein wollte?”

Als Klara Mutter wird, erhöht sich der Druck von außen noch mehr. Ihr Partner Matti und ihre Mutter Marianne übernehmen viele ihrer Aufgaben, wenn Klara in einem akuten Schub nicht dazu in der Lage ist.

Als Mutter soll Klara noch dringender störungsfrei funktionieren. Auch ihr Partner Matti möchte, dass sich Klara effektiver und dringlicher um eine Lösung ihrer gesundheitlichen Probleme kümmert.

Muss die Schneckenkönigen alleine bleiben, weil sie zu besonders ist?

Klara ist ein Störfaktor in einer durch Geschwindigkeit, Optimierung und Leistung definierten Welt, das spürt sie ganz deutlich. 

Sie muss sich überlegen, wie sie in einem Rennen antreten soll, bei dem sie nie gewinnen kann.

Im Laufe des Romans kristallisiert Schönfellner immer klarer Klaras eigenen Weg heraus. Nicht geradlinig, sondern in Vowärts- und Rückwärtsschritten.

Manchmal zeigt sie auch andere Blickwinkel und erzählt aus der Perspektive von Klaras Mutter Marianne oder ihrer Schwester Lotte.

Überhaupt ist es die weibliche Perspektive, die Schönfellner ganz behutsam in den Vordergrund rückt. Da sind die Anforderungen an Klara als Mutter, Arbeitnehmerin und Freundin, die für ihren Partner Matti nicht im gleichen Maß gelten. Ihre Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle, wenn sie diesen Anforderungen nicht gerecht werden kann.

Mir gefällt es dabei sehr gut, dass es Schönfellner selbst in der Schwebe lässt, was die genaue Ursache von Klaras Problemen sein könnte. Wir haben das tief verankerte Bedürfnis, für alles einen Grund und somit einen möglichen Lösungsansatz zu finden. Es ist der Wunsch nach Kontrolle. 

Klara hat diese Kontrolle nicht, muss damit zurechtkommen und dabei das Unverständnis ihrer Umgebung aushalten. Dabei ist der Glaube an Kontrolle eine Illusion. Wir haben es nur noch nicht gemerkt.

Schönfellner erzählt wirklich sehr unaufdringlich und ich muss schon sehr genau hinhören, um die Untertöne in ihrer Geschichte herauszuhören. Die einzelnen Szenen mit kleineren und größeren Zeitsprüngen wirken episodenhaft, folgen aber einer eigenen Logik.

  • Sabine Schönfellner
  • Schneckenkönigin Sabine Schönfellner Klappentext

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