Auf der ersten Seite von „Splitter“ steht unter dem Titel „Eine andere Liebesgeschichte“. Ich muss nicht viel interpretieren, um es als die Liebesgeschichte zwischen der Autorin Leslie Jamison und ihrer Tochter, dem der Roman auch gewidmet ist, zu identifizieren.
„Splitter“ ist eine Mischung aus Memoir und Essay und enthält die intimen Gedanken einer Schriftstellerin, die Mutter geworden ist. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter scheitert ihre Ehe, eine schmerzhafte Scheidung schließt sich an. Jamison erzählt von der intensiven Zeit mit einem Neugeborenen und den ersten schwierigen Jahren als Alleinerziehende, die dann in der Coronazeit in einen Lockdown kulminiert.
„Das Glück, ihre Mutter zu sein, hatte etwas Absolutes. Das Glück, Kunst zu schaffen, war komplizierter, eher wie Quecksilber, mit Eitelkeit gemasert.“
Ich habe Jamisons Gedanken sehr gerne gelesen, es wird für mich aber keines dieser Memoir Highlights, die mir unvergessen bleiben und deren Gefühlswelt meine eigene Welt erschüttern. Dafür hat mir noch ein letztes Stück Tiefgang gefehlt. Oder anders gesagt, Jamisons Erlebnisse und Reflektionen waren mir persönlich nicht spektakulär, nicht sensationell genug.
“Splitter“ eines Alltags als Alleinerziehende und Schriftstellerin
Das ist natürlich eigentlich eine ziemlich unsachliche und unfaire Bewertung von mir. Denn es geht in „Splitter“ gerade um das wenig spektakuläre Alltägliche. Es geht um das Aushalten eines Alltags mit Baby, und später dann Kleinkindes, in seiner sich immer wiederholenden Profanität. Und gleichzeitig um das Wunder, das darin liegt, ein Kind beim Wachsen begleiten zu dürfen.
„Es war eine Lektion, die ich immer wieder lernte: der Unterschied zwischen der Erzählung der Liebe und ihrer gelebten Textur; zwischen der Erzählung der Mutterschaft und ihrer gelebten Textur, der Erzählung der Sucht und ihrer gelebten Textur, der Erzählung der Empathie und ihrer gelebten Textur.“
Es gibt in der Tat unzählige wunderbare Stellen über Mutterschaft und Liebe und dem Gefühl der Überforderung in dem Ganzen, die mich komplett abholen und die ich stark nachfühlen kann. Sowohl in der amerikanischen Presse, wie auch im deutschen Feuilleton, wurde Jamisons Buch hymnisch besprochen. Das freut mich, denn weiblich konnotierte Themen, wie alleinerziehende Mutterschaft, können gerne noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Besonders wenn sie als Memoir gearbeitet sind.
„Das ist die Herausforderung – in der Mutterschaft, in der Liebe, in allem: aufhören, die Illusion eines reinen Gefühls zu fetischisieren, einer Liebe ohne Narben. Sich auf die kompromittierte Version einzulassen.“
Erschienen im Februar 2024 bei Claassen von den Ullsteinbuchverlage und im deutschen Bookstagram komischerweise noch im totalen Shadowban. Sehr zu unrecht, wie ich finde!
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz .
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