Vom Leben der Emily Dickinson
Ich wusste nichts über Emily Dickinson, hatte (vermutlich) noch nie ein Gedicht von ihr gelesen. Ja, das ist möglich und ich verurteile mich nicht dafür.
Was ich auch nicht wusste ist, dass Dickinson, deren Gedichte zum größten Teil erst nach ihrem Tod veröffentlich wurden, ein äußerst zurückgezogenes Leben führte. Ihre Menschenscheu steigerte sich in in ihren letzten Lebensjahrzehnten immer mehr, bis sie ihr Zimmer fast nicht mehr verließ.
Dickinsons Welt war die Dichtung und die Fantasie, worauf der Titel des Romans „Städte aus Papier“ anspielt.
„Sie wohnt schon lange in ihrem Papierhaus. Man kann nicht beides haben, das Leben und die Bücher – es sei denn, man entscheidet sich endgültig für die Bücher und legt sein Leben darin nieder.“
Meine Unkenntnis machte mich zudem zur idealen und dankbaren Leserin von „Städte aus Papier“, denn dieses Buch ist die sensible und poetische Annäherung an die Person und das Leben dieser eigenwilligen, amerikanischen Dichterin.
Dominique Fortier, selbst eine der wichtigsten Stimmen der franko-kanadischen Literatur, schafft mit ihrem Roman die wunderbare Verschmelzung der Betrachtung von Werk und Leben von Dickinson und verbindet sie minimalinvasiv mit dezenten autobiografischen Einsprengseln.
Gelungene Mischung aus Biopic und autobiografischer Prosa
Das ergibt eine lesenswerte Mischung, die sich in bildhaften Szenen am inneren und äußeren Lebenslauf der Dichterin orientiert.
Stilistisch ist Fortier ein Kunstwerk in Prosa gelungen, das sich, so stelle ich mir es zumindest vor, am lyrischen Stil Dickinsons anlehnt.
Leicht und federzart entsteht so das Bild einer fazettenreichen Frau, und vermittelt vielmehr ihr Lebengefühl vermittelt anstatt sich detaillierten Spekulationen zu verlieren.
Es gibt sicherlich reichlich weitreichende und weiterführende Arbeiten, die Leben und Werk der Dichterin analytischer aufschlüssen.
Ich fand die „Städte aus Papier“ wunderbar und bereichernd. Es hat mir große Lust gemacht, mich parallel dazu mehr mit Dickinson zu beschäfftigen.
Erschienen 2022 beim Luchterhand Verlag (Penguin Randomhouse).
Aus dem Französischen von Bettina Bach
Vielen Dank, liebe Co Winterstein, dass dieser Glücksfall von einem Roman durch dich und einen Buchtausch zu mir gelangen konnte!
Schreibe einen Kommentar