Mit „Unter anderen Umständen“ von Verena Teke habe ich wieder zu einem Roman gegriffen, der sich um das Thema Kinderwunsch dreht. Genauer gesagt, um den unerfüllten Kinderwunsch in Kombination mit einer Kinderwunschbehandlung. Es scheint ein Themenkomplex zu sein, der mich 2025 besonders beschäfftigt, vielleicht weil ich jetzt endlich bereit bin, mich damit auch literarisch zu auseinanderzusetzen. Mit „Hunger“ von Tine Høeg oder „Hello Baby“ von Kim Eui-kyung möchte ich zwei Romane nennen, die sich explizit mit den Belastungen einer Kinderwunschbehandlung widmen.
Und auch bei Verena Teke steht der Kinderwunsch, der mit jedem erfolglosen Menstruations- und/oder Behandlungszyklus immer quälender wird, im Mittelpunkt.
Ihre Ich-Erzählerin Hanna ist endlich mit einem Traummann zusammen, für den ihr Kinderwunsch, wie auf so viele Männer, nicht abschreckend wirkt, sondern der sich für die Kinderplanung nicht mehr viel Zeit lassen will. Taner ist ein paar Jahre jünger als Hanna, aber diese Jahre machen für die Biologie einer Frau den entscheidenden Unterschied. Hanna ist schon 37, die Zeit drängt also, wie ihr Umfeld nicht müde wird zu betonen.
Und tatsächlich, das was bei anderen Paaren scheinbar so mühelos und natürlich passiert, passiert bei Hanna und Taner nicht. Hanna wird nicht schwanger.
Nach einem Jahr beschließen sie, sich in einer Kinderwunschklinik unterstützen zu lassen.
Aber die niedrig invasiven Methoden bringen keinen Erfolg und die Ärztin rät den beiden zur künstlichen Befruchtung.
Dabei beschreibt Teke die Zeit der Behandlung sehr detailliert und wie ich finde erfreulich zutreffend und genau. Besonders gut gefällt mir, wie nachvollziehbar Teke Hannas Gefühl des Kontrollverlusts und der Machtlosigkeit herausarbeitet. Sie beschreibt, wie der Wunsch nach einer intakten Schwangerschaft als ersten Schritt auf dem Weg zum Kind, so stark werden kann, dass er ins Irrationale abdriftet.
Unter normalen Umständen in anderen Umständen?
„Unter anderen Umständen“ ist dabei wunderbar leicht lesbar geschrieben und unterscheidet sich damit von dem intellektuelleren „Hunger“ von Høeg. Definitiv übt Teke dezente feministische Gesellschaftskritik, wobei der Fokus klar mehr auf Hannas Emotionen und den spannenden Elementen des Romans liegt. Auch die moralischen Fragen, die Teke gegen Ende des Romans aufwirft, sind mehr als Anregung zu verstehen, als dass sie wirklich diskutiert werden. Das möchte ich hier aber als positiven Aspekt anführen und nicht als Kritik.
Okay, und ja krass der Schluss! Verena Teke weiß, wie man einen Roman mit einem Paukenschlag beendet!
Trotz des belastenden Themas ist Verena Teke hier meiner Meinung nach ein akkurat erzählter, unterhaltsamer und äußerst spannender Roman gelungen, der mir sehr gefallen hat. Seine Leichtigkeit macht ihn auch für Leser*innen empfehlenswert, die keine Berührungspunkte mit Kinderwunsch (-Behandlungen) haben und sich gerne dem Thema nähern wollen.
Vielen lieben Dank an den Kunstmann Verlag für das schöne Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Verena Teke für den Roman!
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