Ulrike Draesner ist eine preisgekrönte deutsche Schriftstellerin, die bereits auf ein breites und umfangreiches Werk an Lyrik, Prosa, Veröffentlichungen und literarischen Übersetzungen blicken kann.
In ihrem neuen Roman „zu lieben“ schreibt sie autofiktional über ihren Kinderwunsch, die Adoption ihrer Tochter und das Ende ihrer Ehe.
Ganz im Mittelpunkt ihres Textes steht die Zeit des Aufenthalts in Sri Lanka, wo sie ihre Tochter das erste Mal sieht und versucht eine Beziehung zu ihr aufzubauen.
Mit dem Thema Auslandsadoption wagt sich Draesner auf polarisierendes und komplexes Terrain. In letzter Zeit wird dieses Thema zunehmend kritisch diskutiert, wobei die hauptsächlich die Bedingungen, unter denen sie stattfanden, betrachtet werden. Häufig stehen dabei Vorwürfe von Profitgier und einem „White Savior Komplex“ im Mittelpunkt, die aus dem Kinderwunsch weißer Eltern ein schreckliches Geschäft gemacht haben – oft zum Nachteil der Kinder. Heute verhindern und erschweren in vielen Ländern strengen Gesetzte und Auflagen die Adoption eines ausländischen Kindes erheblich. Auch Draesners geht in ihrem Roman sehr detailiert auf die Schwierigkeiten einer Auslandadoption ein, wobei sie sich mehr auf die bürokratischen Komplikationen als auf die ethischen Fragen konzentriert.
Und so lese ich „zu lieben“ als sehr individuellen und reflektierten Bericht einer Frau über die Annäherung an die Mutterschaft. Draesner hat ihre Geschichte in Form eines Romans gegossen, den ich nicht mehr aus der Hand legen kann.
Spannend und voller Mitgefühl
Ihr Buch umfasst hauptsächlich die Wochen in Sri Lanka, während sie und ihr Mann versuchen Kontakt und Bindung zu ihrer „future daughter“ herzustellen. Ebenso erzählt Draesner in Ausschnitten die schmerzhafte Zeit des unerfüllten Kinderwunsches, von der quälende Zeit des Wartens vor der Adoption und die Zeit des Unverständnisses ihrer Umwelt über das offenkundige andersartige Aussehen ihrer Tochter danach.
Viele der von Draesners beschriebenen Gedanken über das Eltern werden erkenne ich wieder. Zwar ist die Tochter der Erzählerin aus dem Bauch einer 13-jährigen Sri-Lankerin gekommen, aber nicht jede Geburt macht einen Menschen automatisch zur Mutter.
„So war das also nun mit uns. Mary lernte ihre Mutter kennen. Dank der Fehler, die sie machte. Und ich lernte mich kennen. Als Marys Mutter. Mithilfe der Fehler, die ich machte.“
Ich mochte Draesners ehrliche und leichte Art des Erzählens. Sie hat einen pragmatischen Ansatz die Zustände zu schildern ohne sie zu bewerten. Zudem erzählt Draesner mit leichtem Humor und ohne Anklage.
Die Beschreibungen des Heims in Sri Lanka, in dem das kleine Mädchen Mary bis zu einem Alter von drei Jahren lebt, sind sehr eindrücklich und machen deutlich, wie wichtig und prägend diese Jahre für das weitere Leben sein können.
Auch wenn Draesner durchaus Kritik an Rassismus und Kolonialismus am Rande einfließen lässt, ist der Roman doch in erster Linie eine sehr spannende und lesenswerte autofiktionale Geschichte und kein gesellschaftskritischer oder politischer Roman.
Und unter diesen Vorzeichen hat er mir sehr gut gefallen, so dass ich mir auf jeden Fall weiter mit den Arbeiten Draesners beschäftigen möchte!
Vielen lieben Dank an Penguin Bücher und Team vom Bloggerportal für das schöne Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Ulrike Draesner für den Roman!
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