Als ich sah, dass Elias Hirschl einen neuen Roman veröffentlichen wird, war mir sofort klar, dass ich ihn lesen will. Das Hörbuch zu „Salonfähig“ hat mir vor einem Jahr brutal gut gefallen.
„Content“ steht dem in nichts nach, auch wenn sich Hirschl weniger der politischen, sondern der gesellschaftlichen Satire zuwendet.
Wie das KI-generierte Cover und der Romantitel bereits anteasern, geht es um Social Media, ChatGPT und die Verlagerung unseres Lebens ins Digitale.
Hirschls Ich-Erzählerin arbeitet in einer Content Farm in einem ehemaligen und still gelegten Bergabbaugebiet tief im Westen Deutschlands. Ihre Aufgabe und die ihrer Kolleg*innen ist es, Content für das Internet zu kreieren. Wir reden aber nicht von journalistischen Content, wir reden von dem Random sinnbefreiten Content, den wir alle kennen. Listicals wie „Die Top 20 Must-See-Reiseziele für deinen nächsten Urlaub“, um ein harmloses Beispiel zu nennen, oder YouTube Videos, die immer den neuesten Trends folgen, wie die Cake-or-Fake Videos, werden dort am Fließband produziert.
Der rosa Elefant im Raum: warum erledigt das nicht schon längst ChatGPT?
“Dass es eine Absurdität ist, dass hier überhaupt noch Menschen arbeiten. Dass es eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen ist, eine Verschwendung von Zeit und Energie. Warum wurden wir nicht schon längst ersetzt?”
Wer Hirschl kennt, weiß natürlich, dass ist nur die Spitze des Eisberges aus Absurditäten, mit dem er aufwarten wird.
Und in der Tat, seine Erzählerin entdeckt, dass sie ein merkwürdiges Doppelleben auf Instagram führt und ihr Umfeld ändert sich so schnell, dass sie zunehmend die Bodenhaftung verliert.
Ich liebe Hirschls trockenen und maximal zynischen Humor, mit dem er unseren Umgang mit digitalen Medien persifliert. Er bleibt aber nicht nur bei den sozialen Medien, sondern spiegelt, wie sehr der Kapitalismus des Digitalen unser analoges Leben durchdringt und beeinflusst und zu welchen grotesken Auswüchsen das führt. Das zeigt er am ziemlich lustig am Side Kick Jonas, der immer neue, bizarre Idee für sein Start Up hat.
Die Handlung entwickelt sich gewünscht surreal und in Grenzen abgefahren und macht mir großen Spaß! Aber auch nachdenklich, denn die Gesellschaftskritik, die Hirschl bringt, ist hart on Point und bitter.
“Diese Artikel, habe ich gedacht, die sind nur vordergründig rassistisch, sexistisch, antisemitisch. Im Kern sind sie antikapitalistisch. Im Kern muss meine Arbeit antikapitalistisch und subversiv sein, ansonsten bin ich einfach nur ein schlechter Mensch.”
Wenn du Zyniker*in bist oder vermutest eine*r zu sein, dann mach den Test mit Hirschls Roman. Wenn du bei seinen Top 10 besten Tipps für ein glückliches Leben beim 7. Tipp nicht weinst, bist du wahrscheinlich eine*r.
Große Leseempfehlung!
Gerade erschienen bei #zsolnay.
Vielen lieben Dank an Hanser Literatur für das sehr gewünschte Rezensionsexemplar und viel Erfolg an Elias Hirschl für seinen Roman!
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