🔺 „Düster, bewegend, fesselnd…voller Spannung und Tragik, aber auch voll von wahrhaftigen Gefühlen, feinsinnigem Humor und echtem schriftstellerischem Elan.“
🔺So steht es auf dem Klappentext. Ja, dem stimme ich zu, wenn auch in anderer Gewichtung. Den feinsinnigen Humor konnte ich nur in andeutungsweise erkennen und was düster ist, darüber lässt sich streiten.
Für mich war der Roman „Das Gedächtnis des Winters“ von Steven Conte ein wunderbarer, von Menschlichkeit durchdrungener Schmöker, der mich direkt an die Schauplätze mitgenommen hat.
🔺Der Schauplatz ist Jasnaja Poljana, das Landgut von Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi (einfach bekannt als Leo Tolstoi), im Winter 1941, also mitten während der deutschen Offensive in Russland. Tolstoi ist da natürlich schon lange tot und sein Landgut und sein Grab wird als nationale Gedenkstätte von ein paar Angestellten gepflegt.
Die deutschen Truppen haben das Landgut annektiert und richten dort ein Lazarettlager ein. Der frisch verwitwete Arzt Paul Bauer, der schon einige Kriegserfahrungen hinter sich hat, trifft dort auf die russische Tolstoi-Ultra Katerina Dmitriewna. Wir wissen jetzt alle, was dann passiert…
🔺Es ist aber keine klassische Liebesgeschichte, die Conte hier erzählt. Im Gegenteil, Conte hält sich mit Kitsch und Liebesgeflüster angenehm wohltuend zurück. Im Mittelpunkt der Liebesgeschichte stehen für mich die intellektuellen Gespräche über Literatur zwischen Bauer und Dmitriewna. Beide haben einen, wenn auch unterschiedlichen Zugang zu Tolstois Werken.
Die authentischen Schilderungen über die Zustände und medizinischen Vorgänge im Lazarett nehmen viel Raum ein und sind interessant geschrieben.
Auch die einzelnen Kameraden Bauers werden sorgfältig skizziert und sind detailliert ausgearbeitet, allen voran Bauers Vorgesetzter Metz, der unter der Wirkung einer unbekannten Drogenmischung (Pervitin?) zusehends zerfällt.
🔺Als es gegen Mitte des Romans besonders spannend wird, bricht die Handlung ab und es gibt einen Zeitsprung ins Jahr 1967….
🔺Natürlich ist der Roman jetzt kein literarisch ausgefeiltes sprachliches Oevre, das meine Welt in den Grundfesten erschüttert. Das ist auch gar nicht notwendig um mich gut zu unterhalten. Steven Conte schafft genügend psychologischen Tiefgang bei seinen Figuren und die Handlung (und Liebesgeschichte) ist gefühlt authentisch und realistisch genug um meinen Ansprüchen gerecht zu werden. Ich darf vielleicht noch erwähnen, dass Paul und Katerina, als sie sich kennenlernen, schon beide um die 40 sind und einige Lebenserfahrung aufzuweisen haben.
🔺„Doch die Lektüre von Krieg und Frieden hatte mich nicht nur daran erinnert, dass die Liebe nicht immer obsiegt, sondern dass dies womöglich auch besser so ist.“
🔺Für mich ein wunderbar lesenswerter Roman, den ich euch gerne weiterempfehle, wenn ihr euch von der Thematik angesprochen fühlt.
Aus dem Englischen von Joannis Stefanidis
Vielen Dank an Harper Collins für dieses schöne Rezensionsexemplar!
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