Ich lese viele Romane über Beziehungen, in denen Gewalt, Machtgefälle und Manipulation eine Rollen spielen. Romane über toxische Beziehungen. Ich denke oft, es liegt daran, ähnlich wie bei meiner Faszination von (literatischem) True Crime, dass ich Bescheid wissen will und mich vorbereiten will. Weil, wenn ich nämlich Bescheid weiß, kann mir sowas nicht passieren. (So funktioniert das natürlich nicht, wie mein rationales Ich auch weiß)
„Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“ ist der erste Roman der serbischen Schriftstellerin Milica Vučković, der auf Deutsch erscheint und er beschreibt eine Beziehung, die einseitig von Manipulation geprägt ist.
Möglich ist diese Manipulation, weil sie in einem Umfeld stattfindet, das stark von patriarchalen Mustern durchdrungen ist und die von der Ich-Erzählerin internalisiert wurden.
Sie weiß eben nicht Bescheid. Aber würde das etwas ändern?
Die Ich-Erzählerin heißt Eva. Sie wächst in Zeleznik, einem „stinklangweiligen Kaff“ in Serbien, nahe Belgrad auf. Sehr jung bekommt sie ein Wunschkind mit ihrem Freund, der sich allerdings nach der unausweichlichen Trennung nicht mehr für seinen Sohn interessiert.
Nüchtern erzählt Eva, wie sie wieder in ihr altes Kinderzimmer zu ihren Eltern ziehen muss. Auch beruflich gibt es wenig Raum für Träume, es muss Geld verdient werden. Das Leben hält wenig Optionen für die Erzählerin bereit.
Bis sie Viktor kennen lernt. Ihre große Liebe. Ein toller Typ, ein Macher.
Dass Viktor unhöflich und egoistisch ist, merkt Eva zwar schnell, aber wenn sie sein Verhalten kritisiert, reagiert er unangenehm und mit Schuldzuweisungen.
“Vielleicht, dachte ich, war das Böse wirklich in mir. Es tut mir leid, sagte ich.”
Mehrmals steht sie kurz vor der Trennung, aber sie selbst und ihr Umfeld spiegeln ihr, dass sie eigentlich froh sein kann, dass sich ein Mann wie Viktor überhaupt mit ihr abgibt. Schließlich hat sie schon ein Kind von einem anderen. Soviel zu den patriarchalen Glaubenssätzen.
Ich finde Vučković hat ihre Erzählerin sehr authentisch angelegt. Ihre Erzählstimme macht die Gedankengänge und die Lebensrealtät nachvollziehbar, die sie immer wieder zu Viktor zurückbringt.
Später zieht das Paar auf Grund der besseren Verdienstmöglichkeiten nach Stuttgart. Doch der berufliche Druck lässt Viktor noch unberechenbarer agieren. Es gefällt mir sehr gut, wie Vučković die Situation der Arbeitskräfte aus dem Balkan thematisiert. Auch Herkunft und Klasse sind Faktoren, die Evas Lebensweg und Entscheidungen immer wieder beeinflussen.
Dabei liefert Vučković nie nur einfache Erklärungen. Wie viel Handlungsmacht und Verantwortung bei ihrer Erzählerin liegt, überlässt sie meinem eigenem Nachdenken und meiner Bewertung.
Das macht den Roman sehr vielschichtig und vielleicht auch ambivalent, auf jeden Fall aber lesenswert!
Für mich lag die Besonderheit ganz klar in der eigenen Erzählstimme von Eva, die mich mitgenommen hat und der ich so oft ein größeres Selbstvertrauen gewünscht hätte.
Auch den Schluss fand ich überraschend und besonders und auch (leider) realistisch.
Vielen lieben Dank an den Zsolnay Verlag von Hanser Literatur für das schönen Rezensionsexemplar.
Übersetzt aus dem Serbischen von Rebekka Zeinzinger
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