„einige Herren sagten etwas dazu“
Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit feministischen Themen, leider zunehmend ernüchtert und desillusioniert angesichts der langsamen Veränderungen und des reaktionären Backlash der letzten Jahre.
Die Diskriminierung weiblicher Kulturschaffender, nein, ich will weiter ausholen, die tief verankerte strukturelle Misogynie in allen unseren Gesellschaftsbereichen, ist für mich kein Geheimnis und keine Überraschung mehr.
Ungefähr genauso lange habe Lust auf Literatur, aber die Gruppe 47 ist mir zwar ein Begriff, mir aber nur wage bekannt.
In Kombination dieser beiden Themen ist das neue Sachbuch von Nicole Seifert mit dem Untertitel „Die Autorinnen der Gruppe 47“ für mich ein Must-Reed. Vor allem in Verbindung mit meinem Ingeborg Bachmann Exkurs im letzten Jahr.
Und ganz erfreulicherweise ist „einige Herren sagten etwas dazu“ eines dieser wunderbaren und leider nicht so häufigen Sachbücher, die Recherche, Wissensvermittlung und eingängigem Schreibstil zu einem lesenswerten und unterhaltsamen Leseerlebniss zusammenführen.
Nicole Seifert zeichnet anhand einiger Autorinnen den chronologischen Verlauf des Umgangs der Gruppe 47 mit seinen weiblichen Mitgliedern nach und gibt einen grundlegende und interessanten Einblick in das Mindset der Gruppe. Das mangelnde Interesse sich mit der Nazivergangenheit auseinander zu setzten wird genauso erwähnt wie das kritische Machtmonopol des Initiators Hans Werner Richters.
Macho Gehabe und Party Stimmung
Ich lese in Seiferts Buch einiges über das Leben und Werk von Autorinnen dieser Jahrzehnte, die mir wenig oder gar nicht bekannt waren und das finde ich sehr bereichernd und interessant. Es ist aber auch erschreckend, wie vollständig manche Autorinnen in Vergessenheit geraten sind und wie wenig sie Teil des sogenannten Kanons wurden.
Das Augenmerk Seiferts liegt besonders auf der systematischen Diskriminierung und Sexualisierung bei gleichzeitiger Mystifizierung und Herabsetzung der Autorinnen sowie deren Tilgung aus der Gruppen- und Literaturgeschichte.
Seifert findet gerade im letzten Kapitel deutliche Worte über den immer noch andauernden und tief verankerten Wunsch, Frauen* nicht nur in der Literatur, sondern in allen Lebensbereichen auf ihren ihr zugedachten Platz zu verweisen.
„Der Niedergang der Frau, die aufbegehrt, ist die Kernerzählung der Misogynie.“
Dabei ist Seiferts Schreibstil sehr spannend und ich konnte das Buch trotz seines Sachbuchcharakters mit viel Begeisterung und ohne großen Vorkenntnisse weglesen. Es ist also für alle Leser*innen sehr geeignet und empfehlenswert, die, so wie ich, Lust auf Literatur im weitesten Sinne haben.
„Geschlecht war nicht nur eine Kategorie der Literaturkritik, es war eine diskriminierende Kategorie, die ganz wesentlich über Erfolg oder Misserfolg mitentschied.“
Vielen lieben Dank an den KiWi Verlag für das sehr gewünschte Rezensionsexemplar und an Nicole Seifert für ihre anerkennenswerte Arbeit!
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