Wer sich auch nur ein bisschen für Filme interessiert, weiß wahrscheinlich wer Maria Schneider war. Ihre größte Bekanntheit erlangte sie durch ihre Rolle in dem Skandalfilm des italienischen Regisseurs Bernardo Bertolucci „Der letzte Tango von Paris“ an der Seite von Marlon Brando. Schneider war damals 19, Brando, mit dem sie in dem Film einige intensive Sexszenen hat, fast 50.
Der Film sorgte in den 70ern für einen kassenträchtigen Skandalerfolg, gerade durch die Sexszenen polarisierte das Werk und die Bewertungen reichten von der Anerkennung al Meisterwerk bis hin zu entsetzter Ablehnung.
Was damals weder die Kritik noch die Öffentlichkeit wusste: die junge Maria Schneider wurde durch eine improvisierte und nicht mit ihr abgesprochenen Vergewaltigungsszene traumatisiert. Obwohl die anale Penetration durch Brando am Set lediglich simuliert wurde, fühlte sich Schneider durch die demütigende Szene tief erniedrigt und beschmutzt.
Auch Brando fühlte sich vom Regisseur Bertolucci manipuliert und verraten und verweigerte bis zu einer Aussprache 13 Jahre später jeden Kontakt.
»Nie wieder mache ich so einen Film. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich persönlich vergewaltigt.«
Schneiders Karriere und Leben wird für immer mit dieser traumatischen Szene, die sich die ganze Welt immer wieder ansehen kann, verbunden sein.
Die Geschichte der Maria Schneider
„Dir ist klar, dass diese Aufnahme dich für immer brandmarkt, wie ein misslungenes Tattoo, das man ein Leben lang versucht zu verstecken.“
Mit dem plötzlichen Medienrummel und der Prominenz nach dem Film kommt die angeschlagene Schneider nicht gut zurecht.
Beruflich wird sie auf ihr Aussehen und auf erotische Rollen reduziert. Privat verliert sie sich in der Alkohol- und Drogensucht.
Später, als Schneider beginnt alle Drehbücher mit Sex- und Nacktszenen abzulehnen, stagniert ihre Karriere.
„Angezogen warst du nicht mehr interessant.“
Vanessa Schneider ist die Cousine von Maria. Und Teil einer weit verzweigten, großen und komplizierten Familie, in der die Abstammungslinien nicht immer ganz klar sind.
Sie erlebt schon als junges Mädchen den Wirbel um ihre Cousine mit. Ist fasziniert von der wunderschönen Frau mit dem wilden Leben und den berühmten Freund:innen.
Als Kind ist Vanessa direkte Zeugin der Heroinsucht ihrer Cousine, sieht die Spritzen, versteht aber die Zusammenhänge nicht. Erst später ist ihr klar, dass Maria Drogensüchtig ist und entwickelt daraus einen Radar für Junkies.
Vanessa Schneider erzählt die Geschichte ihrer Cousine als Liebesbrief, in dem sie Maria direkt anspricht. Eigentlich war das Buch als gemeinsames Projekt geplant, doch Maria stirbt viel zu früh.
#metoo
Die Geschichte der Maria Schneider ist ein eindringliches Beispiel, wie der Machtmissbrauch von Männern ein Leben beeinflussen und zerstören kann. Mit der #metoo Bewegung, die in Frankreich starke Wellen schlug, wird endlich auf diese Strukturen und Mechanismen aufmerksam gemacht.
„Das 21. Jahrhundert, das du kaum kanntest, Maria, wird das der moralischen Wiedergutmachung werden, in dem die jahrtausendealten Perversionen als unzumutbar angesehen werden. Die Opfer werden nun gehört, ihre Peiniger an den Medienpranger gestellt.“
Aber ist das wirklich so? Kann es sowas wie eine moralische Wiedergutmachung überhaupt geben? Wo sind die Peiniger am Medienpranger?
Ich fürchte, ich bin da nicht ganz so optimistisch, wenn ich mir überlege, dass ein missbräuchlicher und sexuell übergriffiger Mann wie Donald Trump Präsident werden kann.
Aber vielleicht sind deswegen die Geschichten von Frauen wie Maria und Vanessa Schneider umso wichtiger und sie sollen erzählt und gelesen werden.
„Die Geschichte der Maria Schneider“ ist keine Biografie im klassischen Sinne, sondern vielmehr wie The New York Times titelt „Eine wunderbare Hommage“.
Vielen lieben Dank an Kiwi Verlag für das gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Vanessa Schneider für die deutsche Ausgabe ihres Buches!
Aus dem Französischen von Grit Weirauch
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