DIE MARMORNEN TRÄUME von Jean-Christophe Grangé

Geschrieben von:

die marmornen Träume Grangé Rezension

Alleine die Protagonist*innen! Ich habe jetzt 22h des Hörbuches mit Beewen, Simon und Minna verbracht und sehe sie bildlich vor mir:

Der hypermaskuline blonde Kruppstahl Nazi Franz Beewen mit den (vermuteten, nicht von mir!) riesigen Stierhoden. Der zu klein geratene, pomadierte Psychiater-Gigolo Simon Kraus und die leicht als Quotenfrau zu erkennende alkoholkranke, aber natürlich trotzdem was fürs Auge, Psychiaterinnen-Adelige Minna von Hassel.

Jo, Grangé tritt gelegentlich in die Stereotypfalle, aber für mich hat der Thriller sehr gut funktioniert.

Als Unterhaltung.

Eine tiefschürfende literarische Aufarbeitung der Gräueltaten im dritten Reich darf man nicht erwarten. Ob man es für sich vertreten kann, diese Gräueltaten zur Untermalung von voyoristischer Thriller-Unterhaltung zu konsummieren, ist wahrscheinlich Geschmacksache. Ich kann das durchaus, und mag das, viele der geschilderten Episoden sind zwar literarisch verdichtet, aber basieren auf historischen Tatsachen.

Der Schreibstil von Jean-Christophe Grangé ist außerdem alles andere als platt. Ich mag diese Kombination aus absoluter derber Direktheit und Tiefsinn.

Gesenktes Haupt, verkalktes Herz, die Hirnleistung auf ein striktes Minimum reduziert.“ – So geht Nazi Psychoanalyse in Kurzform.

Die Charakterentwicklung finde ich gut gelungen. Allen voran der Nazi Beewen macht eine beeindruckende glaubhafte Persönlichkeitsentwicklung durch.

Mir zu ausufernd, aber durchaus Hollywoodreif: die zahlreichen, sich ständig verzweigenden, in einer Sackgasse endender, Ermittlungstränge. Da hätte meiner Meinung nach, ein oder zwei weniger Theorien oder falsche Fährten gut getan.

Wer aufregende, verdichtete Thrillerware Deluxe sucht und etwas Ausdauer mitbringt, kann hier getrost zugreiften! Für mich perfektes imaginäres Kino für den Kopf, eine Real-Verfilmung würde ich mich allerdings definitiv nicht trauen zu schauen.

Aus dem Französischen von Ina Böhme 

(P.S.: Warum werden eigentlich Minna und Simon immer beim Vornamen genannt, Beewen aber immer beim Nachnamen? Meine Vermutung: Minna ist eine Frau und Simon ein kleiner Mann, aber Beewen ein knallharter Nazi? Fällt euch sowas auch auf?)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert