In der Musik bezeichnet man „die Resonanzen“ das Mitschwingen oder Klingen eines Körpers mit einem anderen.
Im übertragen Sinn kann man bei einer Resonanz auch von einer Reaktion auf etwas anderes sprechen. Insofern ist der Titel „Die Resonanzen“ perfekt gewählt.
Sie begegnen mir in Flatlands äußerst vielschichtigem Roman sowohl im bildlichen Sinne, denn es geht viel ums traditionelle Fidel- und Geigenspiel, wie auch auf verschiedenen Ebenen im übertragen Sinn.
Der Roman ist ziemlich raffiniert aufgebaut. Die Kapitel sind wechselweise aus zwei verschiedenen Ich-Perspektiven erzählt, die sich diametral zueinander verhalten. Zum einen die Städterin Mathilde, die als Lehrerin in Oslo lebt und arbeitet und in einer Beziehung zu einem gerade nicht mehr minderjährigem Schüler steckt. Zum anderen der Landwirt und Fidellehrer Joh, der mit seinem Bruder und seiner Mutter einen kleinen Hof bewirtet und schon lange Single ist.
Bereits sprachlich arbeitet Flatland den Unterschied der beiden grandios heraus.
Diese beiden Welten, die sich auch in ihrer Wertevorstellung und in ihren Konventionen unterscheiden, lässt Flatland aufeinanderprallen, nachdem Mathilde ihre Schüleraffäire um die Ohren geflogen ist und sie aus Oslo aufs den Hof von Joh zieht.
Mir gefiel die Figur der Mathilde unheimlich gut, ich liebe einfach diese ungesettelten Frauenfiguren, deren moralischer Kompass nicht immer straight Richtung Norden zeigt. Aber auch in Joh steckt mehr als der sexistisch angehauchte Bauerntrampel, als der er oberflächlich scheint. Beide sind definitiv nicht das, was mensch als Sympathieträger bezeichnen würde.
Genau das ist für mich das Geniale an Flatlands „Die Resonanzen“.
Genial, unterhaltsam und spannend!
Ich darf selber denken. Flatland lässt mir ganz viel Spielraum für meine eigenen moralischen Überlegungen. Sie gibt mir kein Werteurteil vor. Nur ganz dezent und subtil lässt sie den Subkontext einfließen, der zweifellos sehr gesellschaftskritisch ist.
Mit ihren beiden gegensätzlichen Erzähler*innen zeigt Flatland die menschlichen Widersprüche und Kämpfe, mit denen auch ich oft beschäftigt bin und die kleinen seelische Abgründe, die ich zwar meist erkenne, aber nicht immer überspringen kann.
Ich mag das sehr und macht den Roman für mich zu einem kleinen Highlight!
Vor allem gegen Ende, als die äußere Handlung an Fahrt aufnimmt, gefällt mir der Roman zunehmend immer besser und der Schluss ist in meinen Augen sehr, sehr gelungen, kraftvoll und mind blowing.
Ein lesenswerter und toller Roman! Kein Wunder, das „Die Resonanzen“ für den norwegischen Buchhandelspreis nominiert war! Es übrigens das siebte Buch von Helga Flatland, die allerdings nicht alle auf deutsch erschienen sind.
Ein großes Dankeschön an den Ecco Verlag und Harper Collins! Der Roman war wieder nicht nur in der äußeren Aufmachung ein wertiges Schmuckstück, sondern auch der Inhalt konnte mich hammermäßig überzeugen.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger und Elke Ranzinger
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