“Selbst schuld, dachte er, wenn sie solche Trümpfe in der Hand hielt und sich davor fürchtete, sie auszuspielen!”

Dachte er…

Viele Menschen denken vieles über A. Das meiste davon ist falsch.

A. ist die Protagonistin in Isabelle Lehns neuem Roman und auch am Ende weiß ich nicht so recht, wer diese Frau eigentlich wirklich ist und wie sie heißt.

Im ersten Teil lerne ich A. nur durch die Augen anderer (Männer) kennen. Für die meisten ist sie auf den ersten Blick entweder leicht durchschaubar oder unsichtbar. Erst als das wahre Ausmaß ihrer Rolle in dem Züricher Finanzskandal klar wird, dämmert einigen die Erkenntnis, diese Frau komplett falsch eingeschätzt zu haben.

“Sie war schließlich nicht angetreten, um sich an Ideale zu klammern. Sie war nicht hier, um die Regeln des Spiels zu verändern, sondern um daran zu verdienen.”

Erst im zweiten Teil komme ich der Frau näher, verfolge ihre ersten Schritte in der Züricher Finanzwelt. Die ist natürlich Anfang der 90er komplett männerdominiert, was sich bis heute nicht wirklich essenziell verändert hat. Da ich selbst in einer sehr männerdominierten Branche und meistens in reinen Männerteams arbeite, kann ich A. erste Learnings in dem harten und sexistischen Arbeitsumfeld gut nachvollziehen.

Kann die Spielerin das Spiel nach den Regeln der Männer gewinnen?

“Die Spielerin” war mein erster Roman der Autorin, die ich schon über ihren Essay “Weibliches Schreiben” kenne und schätze, und natürlich hat er eine wenig dezente feministische Grundnote, was mir sehr gefiel. Lehn macht deutlich, wie  A.  sexistischen Vorurteile zu ihrem Vorteil nutzt. Sätze wie:

“Durchsichtige Menschen werden oft mit dem Zweck verwechselt, der für sie vorgesehen ist. Sie lösen sich auf in der Funktion, die sie einnehmen.”

Können leicht auf Frauen* im Allgemeinen übertragen werden.

Dennoch weiß ich nicht, ob ich mir so schnell noch mal einen Roman von Lehn holen würde, schlicht aus dem Grund, weil ich dem  Plot in “Die Spielerin” einfach nicht folgen konnte und er mich dann irgendwann auch nicht mehr wirklich interessiert hat.

Ich bin ein gänzlich unbewandert was den Finanzsektor angeht und Banking kenne ich nur aus amerikanischen Filmen wie “The Wolf of Wall Street”.

Zwar verwendet Lehn geschickt einige Stilmittel um A.s Geschichte zu wiederholen und zu verfestigen, ich verlor aber trotzdem den Überblick bei der Vielzahl von austauschbaren männlichen Akteuren.

Well…das ist natürlich mein Privatproblem, aber trotzdem schade, weil der Roman so bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Wahrscheinlich ist es der Ansatz des Romans, A. als Rätsel zu belassen und somit die Möglichkeit zu bieten, die eigenen Vorurteile und Denkmuster zu hinterfragen. Oder vielleicht konnte ich auch hier der Idee einfach nicht wirklich folgen. Leider war “Die Spielerin” somit sowohl auf der Unterhaltungs- wie auch auf der inhaltlichen Ebene für mich nicht so befriedigend, wie ich es auf Grund der Kurzbeschreibung erwartet hattet.

Aber vielleicht geht es dir damit auch komplett anders.

Vielen lieben Dank an den S. Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar mit dem schönen Cover eines Gemäldes von Cornelius Völker. Danke und viel Erfolg an Isabelle Lehn für den Roman!