Ich habe dieses Frühjahr relativ viele Neuerscheinungen gelesen. Darunter waren für mich viele gute Bücher und einige sehr gute Bücher. Und vereinzelt Highlights (und einige Flops).
Jetzt ist mir mit „Es währt für immer und dann ist es vorbei“ noch ein ganz besonderes Highlight begegnet, wenn nicht sogar DAS Highlight, dass mir noch länger im Gedächtnis bleiben wird!
Dass mich der kurze Roman emotional so hart anfasst, hätte ich eigentlich gar nicht erwartet, weil, äh… die Erzählerin ein Zombie ist und das Setting postapokalyptisch.
But well, ich denke ja auch immer noch manchmal an „Die Straße“ von Cormac McCarthy.
Also die Erzählerin ist schon länger ein Zombie in einer postapokalyptischen Welt und von Hunger getrieben tötet und verspeist sie ab und zu einen der verbliebenen Menschen.
„Zombies, das waren früher Drogensüchtige, oder Leute vorm Fernseher, vor Spielkonsolen. Jetzt sind Zombies Zombies. Und Konsumenten Konsumenten.“
Aber das ist eigentlich nur ein Nebenschauplatz. Anne de Marcken konzentriert sich vielmehr voll auf die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Protagonistin.
Was bleibt vom vergangenen Leben, wenn die Ewigkeit vor dir liegt?
„Die Welt ist groß und leer, aber in mir ist eine viel größere Leere. Der Hunger macht mich weiträumig, bodenlos.“
Ziellos zieht die Erzählerin durch eine zerstörte und dunkle Welt. Sie hat sich die Brust ausgehöhlt und an der Stelle des Herzens eine tote Krähe hineingesteckt und dort eingeschlossen.
An diese Krähe denkt sie, will sie in sich behüten und spricht mit ihr.
„Ich habe das Gefühl in meiner Brust vielleicht als Krähe beschrieben. Jetzt ist das Gefühl selbst das Ding. Ein zusammengefaltetes Ding mit Federn, das in meinem unverrotteten Fleisch verrottet.“
Es sind starke Kontraste, mit denen de Marcken arbeitet. Zärtliche Szenen und Gedanken setzt sie neben brutale und gewalttätige Szenen.
Die Erinnerungen der untoten Erzählerin an ihr früheres endliches Leben stehen im Gegensatz zu ihrer düsteren und endlosen Unsterblichkeit.
Heidelbeeren pflücken, Sommer, Licht und Leben gegen Dunkelheit, Leere und Sinnlosigkeit.
Ein in Romanform gegossenes „Memento mori“.
Anne de Marcken beschreibt atmosphärisch eine Trauer und Leere in ihrer Figur, die mit der Unendlichkeit vor Augen umso schwerer wiegt.
Die Erzählerin adressiert ein mir unbekanntes und vor allem ein verlorenes Du. Der ganze Roman atmet Verlust und kann und will natürlich als Metapher gelesen werden.
Und trotz diesem Gefühl der Leere und der Traurigkeit ist die Geschichte nicht hoffnungslos oder gar nihilistisch. Im Gegenteil, es ist ein Gefühl und die Erinnerung an Zärtlichkeit und Liebe, die letztendlich nach all der Verheerung geblieben sind.
Es ist die Sehnsucht nach dem Du und die Liebe, die als unsterblicher Rest von Menschlichkeit in dem Zombie geblieben ist, und die mich komplett fertig macht. Ich wünschte, dass wäre das, was uns allen irgendwann am Ende noch bleibt.
Auch wenn dich Romane mit Zombieapokalypsen normalerweise vielleicht nicht ansprechen, empfehle ich dir dringend dieses für mich sehr besondere und emotionale literarische Herzstück. Für mich wirklich eine der glänzenden und herausragenden Neuerscheinung aus dem Frühjahrsprogramm. Ich hoffe, dass noch viele Leser*innen dieses Buch entdecken werden!
Mit dem Schriftsteller Clemens J. Setz konnte für den Roman ein sensibler Übersetzer gewonnen werden, der die Prosa von Anne de Marcken verlustfrei und in bester Weise unsichtbar aus dem Englischen ins Deutsche übertrug.
Ein großes Dankeschön an den Suhrkamp Verlag für dieses wunderschöne Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Anne de Marcken für den Roman!
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