REZENSION
Warum geht sie nicht einfach? Warum lässt sie sich das gefallen? Ich würde ja einfach abhauen!
Ja, einfach.
Von außen sieht es immer so einfach aus. Einfach gehen, oder noch besser, einfach gar nicht erst so eine Beziehung anfangen.
Wir sprechen von gefährlichen, gewaltvollen Beziehungen. Nicht nur körperliche Gewalt sondern auch psychische Gewalt wie emotionale Erpressung, Manipulation und Gaslighting.
Ein hartes aber wichtiges Thema das Rieger für ihren neuen Roman gewählt hat, denn nicht nur in Österreich und Deutschland, sondern weltweit werden Männer* gegenüber ihren (Ex-)Partner*innen gewalttätig bis hin zum Femizid. Die Dunkelziffer ist bei Gewalt in Beziehungen besonders hoch.
Riegers Protagonistin Julia ist eine liebenswerte, junge Frau, die gerne zeichnet und beruflich sehr engagiert ist. Sie hat einen kleinen Freundeskreis und eine lockere und offene Fernbeziehung, deren Unverbindlichkeit sie bewusst genießt.
Als sie bei einer Vernissage den Maler und Künstler Joe trifft, ist sie elektrisiert. Das sofortige Interesse des souverän wirkenden Mannes schmeichelt ihr und die immense körperliche Anziehung macht es ihr leicht, auf Joes Annäherungsversuche einzugehen.
Nicht zufällig erinnert mich der Beginn der Liebesgeschichte von Julia und Joe an die toxischen Narrative mancher beliebter spicy Romancegeschichten.
Der Mann mit der gequälten Seele und der tragischen Vergangenheit, der nur mit der wahren Liebe einer reinen Frau gerettet werden kann.
All das trifft auch auf Joe und Julia zu. Aber was in einer Geschichte und in der Phantasie vielleicht noch einen gewissen Reiz hat, entpuppt sich im echten Leben oft als Ausgangspunkt für eine toxische Beziehung.
Julia spürt auch bald, dass ihre Beziehung zu Joe nicht gesund ist und nicht auf Augenhöhe stattfindet, doch da greift bereits ihre psychische Abhängigkeit zu Joe. Die nächsten Eskalationsstufen sind schnell erreicht.
Acht Stufen bis zur Eskalation
Rieger schildert Julias Gedankengänge konsequent und psychologisch nachvollziehbar aus der Ich-Perspektive. Das lässt mich ihre Geschichte besonders gegen Ende atemlos und intensiv miterleben.
Der Titel „Eskalationsstufen“, wie auch die Einteilung der Kapitel, orientieren sich am 8-Stufen-Model einer Risikobeziehung von Jane Monckton Smith, wie in ich in Riegers Anmerkungen nachlesen kann. Durch diesen Aufbau bekommt der Roman etwas modellhaftes, konstruiertes, was mich aber nicht stört. Vielmehr können Roman wie „Eskalationsstufen“, oder auch das geniale „Malus“ von Simone Hirth, helfen, diese Muster bekannter zu machen und zu verdeutlichen, dass Betroffene Gewalt durch ihre (Ex-) Partner durch ihr Verhalten nicht „einfach“ verhindern können.
Eine kleine Kritik gibt es für die Kurzbeschreibung, die im Gegensatz zum gelungenen Klappentext meiner Meinung nach schon zu viel, oder besser gesagt eigentlich alles vom Inhalt vorweg nimmt.
„Eskalationsstufen“ war für mich wieder ein empfehlenswerter, aufregender Roman, verlegt von Kremayr & Scheriau, der als einer meiner österreichischen Lieblingsindieverlagen nicht rein zufällig regelmäßig auf meiner Leseliste steht!
Die Schriftstellerin Barbara Rieger war für mich eine tolle Neuentdeckung. Ihr Roman „Friss oder Stirb“ ist direkt auf meiner Wunschliste gelandet!
Vielen Dank an den Verlag und Buch Contact für das Rezensionsexemplar, das auch unter dem Schutzumschlag toll aussieht! Ich wünsche Barbara Rieger viel Erfolg (und Verkäufe) für ihren Roman.
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