Ich bin kein großer Fan von dem, was man unter ruhiger und subtiler Literatur verstehen könnte. Mein primitives Ich möchte schon eigentlich lieber sensationelle, reißerische Geschichten lesen, die auch noch meinen Voyeurismus bedienen.
Die Romane von Kristina Bilkau fallen sicherlich in die erste Kategorie und ich liebe sie trotzdem sehr. Nich umsonst zählt Bilkau zu den wichtigesten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Ihr Roman wurde jetzt gerade mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet!
Nachdem ich „Die Glücklichen“ und „Nebenan“ gelesen hatte und beide Roman unglaublich stark fand, habe ich mich sehr auf den neuen Roman der Hamburger Autorin gefreut.
Auch „Halbinsel“ ist wieder sehr ruhig erzählt und von keiner spektakulären Rahmenhandlung geprägt.
Aber gerade vor der Alltäglichkeit der Figuren und der vermeintlich trivialen Geschichte entfaltet sich die Universalität eines wunderbaren Generationen- und Gesellschaftsromans.
Die Protagonistin Annett und lebt alleine in einem kleinen Haus auf einer Halbinsel im Wattenmeer. Ihr Mann Johan ist vor vielen Jahren überraschend gestorben als ihre Tochter Linn noch ein Kleinkind war.
Mittlerweile hat Linn studiert und ist längst ausgezogen und hat die beschauliche Halbinsel hinter sich gelassen.
Annett fühlt sich gerade an einem Scheidepunkt in ihrem Leben. Sie fragt sich, ob sie die ruhigen und vertrauten Fahrwasser ihres Lebens verlassen sollte, um wieder Platz für neue Erfahrungen und Eindrücke zu schaffen.
Doch nach einem Schwächeanfall und von einer kompletten Erschöpfung gezeichnet zieht Linn unerwartet wieder bei ihr ein.
Annetts Tochter hat sich unter dem Erwartungsdruck der Leistungsgesellschaft und auch vielleicht dem ihrer Mutter zu sehr verausgabt und muss sich neu orientieren.
Mutter und Tochter stehen an unterschiedlichen Stellen auf ihrem Lebensweg und hadern mit sich selbst und bald auch miteinander.
Generationenkonflikt
Bilkau bildet hier im Kleinen den Generationenkonflikt ab, der unsere Gesellschaft auch im Großen durchläuft.
Beide Frauen werden viel Mut und Selbstreflektion brauchen, um mit der Situation und miteinander klarzukommen.
Wie wenige andere Autorinnen schafft es Kristine Bilkau die Themen, die mich selbst ganz konkret beschäftigen in ihren Geschichten zu bearbeiten. Es sind nicht die großen politischen Themen, sondern die großen sozialen und zwischenmenschlichen Themen, denen Bilkau mit ihren Figuren ein Gesicht und somit Sichtbarkeit verleiht.
Bilkau verschriftlicht subtile unterschwellige gesellschaftliche Strömungen und erweiterte meine eigenen Gedanken dazu mit vielen neuen Ansätzen und Denkrichtungen.
Ich denke, Bilkau könnte in ihrer Relevanz leicht unterschätzt werden, was auch an ihrem federleichten und nordisch schlichten Stil liegen könnte. Doch die Substanz liegt für mich zwischen den Zeilen und in den Gedanken, zu denen mich ihre Romane anregen. Die Covergestaltung ist natürlich wie immer Geschmacksache, finde ich hier persönlich aber nicht so gelungen, weil eine random female person in der Rückenansicht bei mir immer die Assozation von Trivialität und Beliebigkeit auslöst.
Natürlich gibt es für diesen Roman von mir eine Leseempfehlung!
Vielen lieben Dank an den Luchterhand Literatur von Penguin Bücher für das gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Kristine Bilkau für den Roman und Gratulation zum Preis der LBM!
Schreibe einen Kommentar