HERZGRUBE von Andrew McMillan

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herzgrube Andrew McMillan Rezension

Dass McMillan schon viel Lyrik geschrieben hat, merke ich auch in seinem ersten Roman, denn er ist stilistisch äußerst kunstfertig und sehr gekonnt aufgebaut und komponiert.

Auch inhaltlich ist sein Roman sehr vielschichtig und dicht, wobei allerdings nicht jedes Thema ausführlich behandelt wird, manches wird nur in Nuancen angedeutet.

Mir fiel der Einstieg in den Text nicht ganz leicht, ich habe erst ungefähr nach der Hälfte die Zusammenhänge und die Verbindungen zwischen den Figuren und dem geschichtlichen Kontext verstanden.


Die Genialität des Aufbaus und der Geschichte ist mir erst ganz am Schluss klar geworden, als die Puzzlestücke alle an ihrem Platz lagen.

McMillan zeichnet in seinem ersten Roman das Porträt einer Kleinstadt im Norden Englands, es ist der Ort Barnsley, in dem er auch aufgewachsen ist. Dort hatten einst die Männer der Stadt unter Tage Kohle abgebaut. Auch Simons Vater, eine von McMillans Figuren, hat dort in der Dunkelheit seinen Lebensunterhalt verdient. Heute sind die Gruben geschlossen, doch die Zeiten der Bergarbeit sind noch lange nicht vergessen.

„Die gesellschaftliche Gewalt der Vergangenheit liegt offen zutage. Das Verborgene, Verdrängte unter der Erde ist quicklebendig und gegenwärtig, es atmet noch, es hustet noch, es ist noch rutschig, es sackt weg.“

Simon verdient neben seinem Job im Callcenter seinen Lebensunterhalt mit Auftritten als Drag Queen und mit intimen Videos auf OnlyFans.
Sein Freund Ryan weiß davon und schwankt zwischen Faszination und Ablehnung.

Identität und Vergangenheit

McMillan gräbt in seinem Roman schichtweise in die Tiefe, lässt die Feldforschung und historische Stimmen zu Wort kommen, dazwischen scheinbar kontextlose Bergarbeiterszenen, die das Männliche, Archaische und das Gemeinschaftliche der Grubenarbeit unterstreichen.

„Und der Gestank; das animalische Dickicht aus Männern, gemischt mit dem Öl und Ruß des Förderbands.“

Im Heute suchen Simon und Ryan ihre queere Identität, genauso wie Simons Vater Alex, der noch mit der Vergangenheit klarkommen muss.

Erzähltechnisch spielt McMillan mit verschiedenen Stilmitteln, nutzt verschiedene Perspektiven, bewegt sich im Spannungsfeld von Voyeurismus und der Lust, sich zu zeigen.

„HERZGRUBE“ hat keine stringent durchgehende Handlung, sondern zeigt vielmehr ein Stimmungsbild, dessen Gesamtheit sich mir aber erst ganz am Schluss komplett erschloss und erst nachträglich einige Szenen in den Kontext setzte.

Ich fand den Roman etwas herausfordernd, aber am Ende sehr lohnenswert und literarisch besonders.

  • Andrew McMillan
  • herzgrube Andrew McMillan Klappentext

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